»Ein Geheimrezept dagegen gibt es wohl nicht. Das Wichtigste aber ist Aufklärung.«

Über Antisemitismus und wie man ihn bekämpfen kann: Bela Braun im Interview mit Thomas Biskupek, verantwortlich für die Internetseite »Juden in Sachsen«

»Juden in Sachsen« gab es schon einmal über einige Jahre. Warum kommt dieser Internetauftritt jetzt wieder?

Die einfachste Antwort mag natürlich erst einmal niemand hören oder gar akzeptieren. Früher hatte das in Leipzig ansässige »Deutsch-Russische Zentrum Sachsen e.V.« (DRZ), das diese Seite betreibt, viele Mitarbeiter und auch mehr Geld für deren Bezahlung zur Verfügung. Dann gab es immer weniger Geld, konnte man weniger Leute beschäftigen. So schlief die Seite ein.

Dagegen hat sich niemand gewehrt?

Doch, es gibt viele Anträge des DRZ, das Projekt fortzuführen. Die wurden aber über Jahre hinweg immer wieder abgelehnt. Über die Gründe mag ich nicht spekulieren. Jetzt gibt es jedenfalls in Dresden eine schwarz-rote Koalition. Die zuständige Ministerin Petra Köpping, in der Region Leipzig als einstige Landrätin von Borna bestens bekannt, hatte ein offenes Ohr für das Anliegen und war bereit, unser Projekt wieder zu finanzieren.

Haben sie selbst eine Beziehung zum Judentum?

Ich komme aus keinem gläubigen Elternhaus. Aber ich weiß viel über die Vergangenheit im Verhältnis von Deutschen und Juden. Deshalb halte ich dieses Projekt für ganz wichtig. Darin arbeiten etliche Juden mit. Die meisten sind aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gekommen. Die Sprache, die sie verbindet, ist die russische. Wir wollen aber vor allem deutsche Leser erreichen. Deshalb ist ein Muttersprachler wichtig. Wir wollen schließlich verstanden werden.

Welche Projekte gehen sie als erstes an?

Ein Alleinstellungsmerkmal wird nach und nach wieder belebt: Wir streben eine Übersicht über deutsche Veröffentlichungen zu dem Thema an, Das reicht von Alltagsnachrichten bis zu Berichten aus den Gemeinden, von Gesetzen, die jüdisches Leben betreffen, bis zum Wachsen der Gemeinden.

Braucht man dazu einen gesonderten Auftritt im Internet?

Aber gewiss doch. Der latente Antisemitismus hierzulande ist niemals völlig verschwunden. So wie Fremdenhass dort am üppigsten gedeiht, wo es kaum Fremde gibt, so blüht Antisemitismus am meisten, wo es nur wenige Juden gibt. Aber er nährt die schlechtesten Traditionen in Deutschland. Dem müssen wir mit Informationen begegnen. Erreichen wollen wir Nachdenklichkeit. Vielmehr wird vorläufig nicht real sein. Aber anfangen wollen wir.

Was soll ihre Seiten noch füllen?

Wir wollen einen Überblick darüber erreichen, welche wirtschaftlichen, kulturellen oder politischen Leistungen durch Juden in unserer Region erreicht wurden. Das soll auch zeigen, welche geistigen Blüten durch den Hitlerfaschismus zerstört wurden. Von da führt ein gerader Weg zum bürgerlichen Widerstand gegen die Nazis, den viele Linke noch immer geringschätzen. Der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler landete auf dem Schafott wie viele linke Antifaschisten. Zusammengeführt hat sie das Eintreten für die Juden. Das müsste heute den Linken viel bewusster sein. Deshalb sollte unsere Seite überall anerkannt werden.

Haben Sie noch ganz andere Vorstellungen für Ihr Projekt?

Heutzutage entwickeln viel gedruckte Zeitungen ein begleitendes Journal im Internet. Für uns kann ich mir vorstellen, zum Internetauftritt ein Journal zu gestalten, das vielleicht ebenfalls nur im Internet erscheint. Es sollte drei- oder viermal im Jahr herauskommen und jeweils einem Schwerpunkt gewidmet sein. Das ergäbe einen ganz anderen Ansatz als den heute üblichen.

Woher kommen heutzutage solche Erscheinungen wie Antijudaismus oder auch Antiziganismus?

Sie haben unterschiedliche Ursachen aber wahrscheinlich ähnliche Gründe – vor allem Angst vor allem Fremden, vor Änderung, vor Verlusten, vor allem, was man nicht kennt.

Wie sollte man damit umgehen?

Ein Geheimrezept dagegen gibt es wohl nicht. Das Wichtigste aber ist Aufklärung. Kein Mensch kann sich auf Dauer der Logik verschließen. Wir wollen sie dauerhaft verbreiten.

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Juli/August 2016