Kompendium der sozialistischen Bewegung

Von Erhard Hexelschneider

Es ist ein denkwürdiges Projekt, mit dessen Resultaten hier Herausgeber und Verlag die Geschichte und Erforschung des Sozialismus buchstäblich beschenken. Die Berliner Historiker Heinz und Ruth Deutschland haben in weit über 15jähriger intensiver Forschungsarbeit über 3.600 Briefe und Postkarten des Ehepaars Herrmann und Käte Duncker für die Zeit von Juli 1894 bis September 1941 deskribiert und kommentiert. In einem Printband sowie einer beigelegten USB-Card entstand im Ergebnis ein in vielem präzisiertes Bild der beiden Sozialisten, ihrer Denkweisen, aber auch ihrer persönlichen Beziehungen und ihrer moralischen Haltung. Die biografisch-chronologische Anordnung der Briefe verdeutlicht nicht nur oberflächlich den »Lehrer dreier Generationen« (wie man Hermann Duncker genannt hat) oder den Gewerkschaftsfunktionär, sondern verdeutlicht auch viele bisher unbekannte Punkte aus seinem/ihrem Leben. Es ist wie ein Wunder, dass eine derart große Briefauswahl über so einen langen Zeitraum (vor allem durch die Bemühungen von Käte Duncker) bewahrt werden konnte. Intimes und Persönliches verknüpfen sich hier mit Gesellschaftlichem. Der Biograf wird viel Neues finden: über Dunckers Studien am Leipziger Konservatorium; über seine Übersetzungen aus der russischen Literatur ins Deutsche; seine Beziehungen zu russischen Künstlern, seine Gedichte und seine Arbeit mit Karl Bücher, bei dem er auch promovierte.

Lesen oder auch nur Stöbern in diesem Buch, das man durchaus als Kompendium über die sozialistische Bewegung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts betrachten kann, wird unsere Vorstellungen über einen der Begründer der Kommunistischen Partei Deutschlands erheblich erweitern.

Käte und Hermann Duncker: Ein Tagebuch in Briefen (1894-1953). Hg. von Heinz Deutschland unter Mitarbeit von Ruth Deutschland. Karl Dietz Verlag, Berlin 2016. Mit einer USB-Card des vollständigen Briefwechsels, Dokumenten und 245 Abbildungen. 605 Seiten 49,90 Euro (Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus. Bd. XX)

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Juli/August 2016