Leipziger Flüchtlingsunterkunft und 15 Monate Ungewissheit

Von Joachim Michael

Eine Rückblende ist in diesem Fall zum besseren Verständnis nötig. Sie führt in das Jahr 2015. Bis auf den letzten Platz war damals die Aula der Sportschule in der Max-Planck-Straße besetzt. Gut 300 Leipzigerinnen und Leipziger aus der Gegend waren erschienen, um sich über die angedachte Flüchtlingsunterkunft, in der Waldstraße 74 bis 80, zu informieren.

Ältere Leipziger erinnern sich: Ursprünglich waren es drei gutbürgerliche, vornehme Stadtvillen, die in DDR-Zeiten durch Zwischenbauten verbunden wurden. Viele erlebten dort einen umsorgten, manchmal auch schwierigen Lebensabend. Das über Jahrzehnte ansässige Alten- und Pflegeheim zog 2015 in einen Neubau in unmittelbarer Nähe. Dringende Renovierungsarbeiten waren in allen Etagen der einstigen Gebäude vonnöten.

Gewachsene Strukturen der Räume, Bäder oder Küchen, sollten jedoch erhalten bleiben. Sie könnten künftigen Bewohnern das Einleben erleichtern. Sozialbürgermeister Thomas Fabian und Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst erläuterten vor 15 Monaten Pläne und Gedanken. Aber: Noch immer sind die Fenster abends dunkel. Anfang Dezember 2015 sollten rund 300 Flüchtlinge einziehen, hieß es, aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Meist, so war zu erfahren, wären deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen, viele möchten eventuell gern in Leipzig bleiben. Auch deswegen wolle man in den Häusern gute Rahmenbedingungen schaffen, um die neuen Nachbarn bestmöglichst zu integrieren, erläuterte damals der Sozialbürgermeister. Einfach würde das nicht, das wurde an jenem Abend auch klar. Es gab viele Wortmeldungen und Fragen von Anwohnern, auch religiöser Art, niemand provozierte.

»Es war eine sehr lebhafte Veranstaltung«, äußerte sich Thomas Fabian damals nach den zwei Stunden zufrieden. Er sei zuversichtlich, dass es eine gute Nachbarschaft zwischen den künftigen, jüngeren Bewohnern im ehemaligen Pflegeheim und den »alten« Anwohnern im Viertel geben werde. Vor Ort sollen fünf Sozialarbeiter in Vollzeit und einer mit einer halben Stelle eingesetzt werden, so war es geplant und verkündet worden. Die Verhandlungen mit potenziellen Betreibern für die Unterkunft liefen, hieß es seinerzeit. Vorgesehen ist, dass sich die Neubürger selbst verpflegen. Die Räume seien dafür geeignet. Die Anmietung sei vorerst auf zwei Jahre begrenzt, die Option einer Verlängerung bestehe jedoch für die Stadt.

Eine gute Nachbarschaft hat sich bisher noch nicht entwickelt, denn passiert ist nichts Sichtbares. Noch immer stehen die renovierten Quartiere, die schon längst bezogen sein sollten, leer. Fleißige Bauarbeiten haben in ihnen bis in die Nacht gewerkelt und gewirkt, und gleich dort geschlafen, damit sie sich einen weiten Heimweg sparen. Auch das ist inzwischen vorbei.

Der Bürgerverein des Viertels erfuhr dieser Tage, dass nach Auskunft des Rathauses die Asylunterkunft nunmehr Ende April dieses Jahres bezogen werden soll. Fragen gibt es, nach den 15 Monaten Wartezeit, inzwischen erneut. Wer kommt? Was können Anwohner tun, um das Ankommen für beide Seiten zu erleichtern? Ist Hilfe nötig? Antworten erfordern jedoch präzise Informationen und einen erneuten Infoabend in der Aula.

Was lange währt wird ...?

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im März 2017