Go West!

Von Daniel Merbitz

Der Titel der Nachwendehymne »Go West!« des britischen Pop-Duos »Pet Shop Boys« kann im Jahr 2017 wieder als Kompass in Leipzig dienen, denn der Westen der Messestadt ist ein kulturelles Eldorado, gerade noch an der Grenze zwischen Subkultur, Gentrifizierung und Hipster-Welt. Steigende Mieten und Entmietungen werden allerdings den Charme dieses Stadtteils nachhaltig schädigen. Daher heißt es jetzt, sich ins Getümmel zu werfen: Zwischen Spinnereigelände, Westwerk und der Karl-Heine-Straße.

Ans Herz zu legen ist dabei der »Westflügel«: Hier residiert das Leipziger Figurentheater »Wilde & Vogel«. Mit viel Idealismus zeigen Charlotte Wilde und Michael Vogel eine Kunstform abseits der großen Wege und Häuser. Das moderne Figurentheater ist kein klassisches Puppentheater für Kinder, sondern ein visuell-musikalisches Experimentierfeld für Erwachsene und Jugendliche. Ja, auch der eine oder andere Hipster ist im morbiden Nachindustrieambiente der ehemaligen Ofenfabrik anzutreffen, preiswerten Rotwein in der ehrenamtlich betriebenen Theaterkantine »Froelich & Herrlich« schlürfend.

Die Aufführung von »Die Empfindsamkeit der Giganten« von Christoph Bochdansky, Michael Vogel, Charlotte Wilde und Gyula Molnár kann als programmatisch für das Haus gelten: Hier wird ein sakrales Hochamt der Phantasie zelebriert. Dieser zauberhafte, einmalige Moment, wo die Phantasie heraufbeschworen wird, schält die Ideen und Träume heraus, die im Alltag verschüttet sind.

Einer der Höhepunkte im Jahr 2017 ist das Jubiläum »20 Jahre Wilde & Vogel«. An zwei langen Wochenenden im September und Anfang November gibt es einen Rückblick auf die bislang in Leipzig gezeigten Inszenierungen des Figurentheaters.

Fazit: Im Westflügel gibt es die künstlerische Symbiose von Schauspiel, Musik, Installation und Träumerei.

Go West!

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Juni 2017