Herbert Blomstedt dirigiert

Herbert Blomstedt & Gewandhausorchester (2016) Foto: Jens Gerber/Gewandhaus

Ergreifender, beglückender Bruckner

Blomstedt fasziniert mit Uraufführungen von einst / Von Werner Wolf

Von den zahlreichen Uraufführungen des Gewandhausorchesters kommt jener der siebenten Sinfonie Anton Bruckners unter Arthur Nikischs Leitung 1884 im Opernhaus besondere Bedeutung zu: Sie verschaffte dem bis dahin in seiner österreichischen Heimat verkannten, ja verspotteten Komponisten die ihm gebührende Anerkennung und öffnete ihm den Weg in die deutschen Konzertsäle.

Hört man das Werk so vollendet wie vom Gewandhausorchester unter Herbert Blomstedt, könnte man denken, Bruckner habe es speziell für dieses Orchester geschaffen. Doch haben die Gewandhauskapellmeister mit den Sinfonien Bruckners den ganz eigenen Klang des Orchesters ausgeprägt. Die Aufnahmen der neun (von Bruckner als gültig anerkannten) Sinfonien unter Blomstedts Leitung dürfen als bisheriger Höhepunkt der Bruckner-Interpretation bezeichnet werden. Die diesmalige Aufführung darf man mit ihrer geistigen Durchdringung, ihrem von Anfang an spannungsgeladenen bis zum grandiosen Finale klug gesteigerten Aufbau und ihrer wunderreichen Klangkultur als bisherigen Höhepunkt der Bruckner-Interpretation des Gewandhausorchesters bezeichnen.

Zugunsten dieses Gipfelwerkes und seiner vollendeten Wiedergabe kann auf die anderen Werke der ersten beiden der vier »Uraufführungskonzerte« nur kurz eingegangen werden. Vor dieser »Siebenten« gab Felix Mendelssohn Bartholdys Violinkonzert e-Moll mit dem großartigen Solisten Leonidas Kavakos den besinnlich heiteren Auftakt.

Das Eröffnungskonzert der Jubiläumsspielzeit des im März 2018 seinen 275. Geburtstag feiernden Orchesters gab eingangs mit Robert Schumanns musikantischem Konzertstück für vier Hörner und Orchester den Gewandhaushornisten Bernhard Krug, Jan Wessely, Jochen Pleß und Juliane Grepling willkommene Gelegenheit, mit ihrem Können zu glänzen. Mit Mendelssohns Sinfonie-Kantate »Lobgesang« bewies Herbert Blomstedt, wie auch ein im Verhältnis zu Bruckners Sinfonie weniger dicht gearbeitetes Werk durch konzentrierte Wiedergabe starke Eindrücke erwecken kann.

Schließlich bleibt über eine Seltenheit zu berichten. Anlässlich einer Tagung der Internationalen Siegfried Wagner Gesellschaft Bayreuth in Leipzig führten die Sopranistin Rebecca Bromberg und der Pianist Ulrich Urban in einem Konzert in der Alten Handelsbörse Szenen aus Opern Siegfried Wagners und den Schluss der »Götterdämmerung« Richard Wagners mit während der Komposition gestrichenen, auf Wunsch »Ludwig II.« nachkomponierten, für die Aussage des Werkes wichtigen Verszeilen auf. Die Ausschnitte aus Opern Siegfried Wagners und die vorgelegte DVD der Oper »An allem ist Hütchen schuld« sollten anregen, mit dem Blick auf den 150. Geburtstag des Komponisten am 6. Juni 2019 auch in Leipzig ein Werk des Wagner-Sohnes aufzuführen.

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Oktober 2017