Diskussion Luxemburg-gesellschaft

Manfred Neuhaus, Peter Brandt und Klaus Kinner beim »Joure fixe« (v.l.n.r.) Foto: Volker Külow

Dialog und Kooperation stärken
Peter Brandt mahnt nach Rechtsruck mehr Gemeinsamkeit von SPD und LINKE an

Von Wulf Skaun

Die 1991 in Leipzig gegründete Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen (RLS), die der Partei DIE LINKE nahesteht, hat sich eine vielgestaltige Pflege und Vermittlung linksdemokratischen Denkens auf die Fahnen geschrieben. Seit Januar 2015 werden unter ihrem Dach in der Harkortstraße 10 brennende Fragen von Politik, Ökonomie, Kultur und Wissenschaft auch in einem neuen Format verhandelt. »Jour fixe«, einen unkonventionellen Gesprächskreis, nannten die Historiker Klaus Kinner und Manfred Neuhaus ihr monatliches Diskursprojekt. Ausgewiesene Kenner der Materie fachen mit Impulsideen streitbare Diskussionen an. Inzwischen gingen 28 überaus gut besuchte Treffen über die Bühne. Das jüngste fand Mitte November vor dem Hintergrund der Bundestagswahl 2017 statt, die durch einen beunruhigenden politischen Rechtsruck gekennzeichnet war, an dem auch SPD und Linkspartei nicht schuldlos waren.

Mit dem Historiker Peter Brandt hatten Kinner und Neuhaus einen renommierten Intimkenner der Szene eingeladen. Der weitete den Blick des interessierten Auditoriums zunächst mit einem raschen Parforceritt durch die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, indem er seine beiden Anthologiebände »Freiheit und Einheit« vorstellte. Dann aber widmete er sich engagiert und pointiert den Fragen der Jour-fixe-Teilnehmer, so zum Verhältnis beider Parteien und zu aktuellen Anforderungen an sie. Seine profunden Antworten verrieten dabei nicht nur den Universitäts-Professor für Neuere Deutsche und Europäische Geschichte, das Vorstandsmitglied von Historischer Kommission der SPD und Friedrich-Ebert-Stiftung, sondern auch den Sohn Willy Brandts.

Seinen Ruf, Brückenbauer seiner Partei zur entschiedenen Linken zu sein, bestätigte der linke Sozialdemokrat dabei aufs Neue. Beide Erben der deutschen Arbeiterbewegung, so Peter Brandt, müssten endlich zu offenem, langfristigem Dialog finden, um eine sach- und problemorientierte Zusammenarbeit zu organisieren. Das verbiete, auf je eigenen Dogmen und alten Klischees zu verharren. Wenn sich beide Parteien ein realistisches Bild von den Leuten an der jeweils anderen Basis verschafften, würden sich nach seiner Erfahrung mehr Gemeinsamkeiten finden als vermutet. Die Frage, für wie stabil er die Berliner Republik angesichts der schockierenden Rechtsentwicklung halte, veranlasste Peter Brandt nicht zuletzt, SPD und Linkspartei ins Gewissen zu reden. Beider Versagen, »nicht mehr an bestimmte Gruppen des arbeitenden Volkes heranzukommen« und als Teil des »etablierten politischen Spektrums« wahrgenommen zu werden, hätte ganz offensichtlich zum parlamentarischen Höhenflug der Rechtsaußen-AfD beigetragen. Das sei gefährlich, bedeute aber seines Erachtens keine faschistische Gefahr in Deutschland. Statt moralisierend die »bösen Führer« der AfD aufs Korn zu nehmen, müssten die beiden linken Parteien ihre politischen Ansätze selbstkritisch überprüfen. Für die SPD hoffe er, sie werde aus ihrer Wahlniederlage, die er eine »Wahlkatastrophe« nenne, die richtigen Lehren ziehen. »Wir müssen wieder die soziale Frage ins Zentrum stellen!«

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Dezember 2017