Cover »Leipziger Liederbuch«

»Leipziger Liederbuch«
30 Jahre später erschienen

Von Volker Külow

Das vor 30 Jahren entstandene Leipziger Liederbuch ist ein bemerkenswertes Zeugnis subversiver Literaturgeschichte in unserer Stadt. Es bietet kein getöntes Leipzig-Bild und als Stadtführer wird es nicht zu gebrauchen sein, wenngleich es von »Leipzig am Rand«, den Tagebauen und Tagebaurestlöchern, über O5 oder W33 mitten ins Zentrum führt: in die »dicke Luft«, unter den »Blaugelben Himmel von Leipzig«, wie es die Text- und Ton-Autoren des Liederbuches Ralph Grüneberger und Walter Thomas Heyn bei der Ankündigung 1987 formulierten. Aufgrund der kritischen und doppelbödigen Texte wurde seinerzeit nur eine vollständige Aufführung des Werkes im Gewandhaus sowie eine Teilaufführung in der Alten Handelsbörse gestattet. Beides waren geschlossene Veranstaltungen für ein ausgewähltes Publikum. Auftraggeber war das volkseigene Kombinat GISAG in Leipzig, das eine eigene Kulturabteilung unterhielt. Von dort kam auch die Mitteilung, dass die ursprünglich für 1986 geplante Premiere abgesagt wird. Der Betriebs-Parteisekretär verlangte zudem vom Komponisten, dass seine Kompositionen »wie Schostakowitsch klingen« müssen.

Vertraglich vereinbart war die Veröffentlichung des Textbuches, doch das unterlief das GISAG-Kombinat geflissentlich. Drei Jahrzehnte später liegt es nun vor, erweitert um neue Liedtexte und Gedichte, Noten, Dokumente und Fotografien. In seinem Essay »Gelebte Zensur« erzählt Grüneberger sehr detailliert die ganze Vor- und Nachgeschichte der Publikation. Beigegeben werden dem Buch darüber hinaus eine gemasterte CD der Uraufführung aus dem Jahre 1987 sowie eine Studioproduktion neuer Prägung aus diesem Jahr.

Ralph Grüneberger, Walter Thomas Heyn »Leipziger Liederbuch«, ein Liederlesebuch mit 2 CDs, Edition kunst & dichtung, Leipzig 2017. 114 Seiten. ISBN 978-3-937264-33-2. 24,90 EURO
Bestellungen bitte direkt an die Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik: lyrikgesellschaft@web.de

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Dezember 2017