Angelika Tübke im MdbK

Angelika Tübke im Museum der bildenden KünsteFoto: MdbK/Punctum

Meister-Trio

Von Daniel Merbitz

Meisterschaft ist die heimliche Klammer mit der man die drei Ausstellungen im Leipziger Museum der bildenden Künste zu einer Einheit in der Vielfalt verbinden darf: Angelika Tübke, Bernard Heisig und die »Meisterzeichnungen« der Graphischen Sammlung.

 

Angelika Tübke

Doch der Reihe nach. Einmal im Jahr ersucht das Museum eine Leipziger Künstlerin, eine andere Künstlerin mit Leipzig-Hintergrund für ein Ausstellungsprojekt vorzuschlagen. Auf Anregung von Rosa Loy, Künstlerin (und Frau von Neo Rauch), werden Werke von Angelika Tübke gezeigt, wohl sortiert und stringent, wie ein solides Kammerspiel. Der weibliche Teil der Tübke-Welt, altmeisterlich, präzise, wie eine Seelenverwandte des Meisters. Wer scheint beim wem auf? Man schaue sich nur das »Usbekische Bauernpaar« aus dem Jahr 1963 oder »Carrara« aus dem Jahr 2005 an. Wie ein Destillat der verwobenen Kunstauffassungen erscheint »Ulrike Kleine« (1989): Ein Meisterwerk der kleinformatigen Porträtkunst. Angelika Tübke, geboren 1935 in Dessau, hat 1954 bis 1959 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig (HGB) studiert und 1960 Werner Tübke (1929-2004) geheiratet. Im Jahr 1976 hat sie sich wieder von ihm scheiden lassen, weil sie nach der Elternzeit nicht wieder Künstlerin sein durfte. Seit 1959 ist sie freischaffende Malerin, lebt und arbeitet heute in Dalliendorf.

Im grellen Lichtkegel der musealen Reflexion steht nach wie vor Werner Tübke, überlagert das Werk der ehemaligen Ehefrau. Ein trauriges Kapitel in der alten wie in der neuen Republik. Jetzt: Eine Neu- oder Wiederentdeckung, ein Heraustreten aus Verschattung.

Doch kein Einzelfall. Der andere Grandseigneur der Leipziger Schule, Wolfgang Mattheuer (1927–2004), hat eine exzellente Künstlerin als Ehefrau: Ursula Mattheuer-Neustädt, deren herausragende Bedeutung für die Kunst, nicht nur im und für den Osten Deutschlands, leider bislang nicht angemessen gewürdigt wurde und wird, besonders die Verschränkungen zwischen Poesie und Graphik. Auch hier herrscht Nachholbedarf.

 

Bernard Heisig:

Bernhard Heisig »Lernende Jugend (Zirkel junger Naturforscher)«, 1952, Öl auf Leinwand, 124 x 190 cm, MdbK Foto: MdbK/VG Bild-Kunst, 2018

Bernhard Heisig

Der dritte im Dreigestirn der »Leipziger Schule«, Bernhard Heisig, wird aktuell mit einer Schau gewürdigt, der man mit der Wertung »Klein aber fein« nicht zu nahe tritt, sondern vielmehr ein Prädikat verleihen darf. Wenig Bekanntes und Altbekanntes: »Pariser Kommune« (1971/72), »Geburtstagsstillleben mit Ikarus« (1985), »Brigadier II« (1968/70 und 1979) »...die Armee konnte sich der Verantwortung nicht länger entziehen...« (1973), »Lenin und der ungläubige Timofej« (1970), »Winterschlacht (Kreuzzeichen)« (1985/86). Sehenswert die Reihe seiner Selbstbildnisse von 1956 bis 1982 und eine Ikone des sozialistischen Realismus: »Lernende Jugend (Zirkel junger Naturforscher)« aus dem Jahr 1952.

Meisterzeichnungen

Nach der erfolgreichen Klimt-Ausstellung in Halle (Saale) können wir in Leipzig flüstern: Auch wir können ein bisschen Klimt. Denn eine Meisterzeichnung von Gustav Klimt ist jetzt in der großen Überblicksschau voller Schätze aus der Graphischen Sammlung zu sehen. Das anmutige »Mädchenbildnis« von 1910. Dieses Blatt ist eines von vielen Meisterblättern in dieser wunderbaren Sonderausstellung mit dem korrekten aber etwas sperrigen Titel »Sammlung im Blick: Zeichnungen aus sieben Jahrhunderten«. Mit einer Auswahl von etwa 150 Meisterzeichnungen können nun die zumeist verborgenen Werke endlich wieder im Original betrachtet werden, denn das empfindliche Medium Papier verträgt keine Dauerpräsentation. Allein bei der Dichte der hochrangigen Künstler wird einem schwindlig: Filippino Lippi, Hans Holbein d. J., Lucas Cranach d. Ä., Rembrandt, Giovanni Battista Piranesi, Nicolas Poussin, Adam Friedrich Oeser, Julius Schnorr von Carolsfeld, Caspar David Friedrich, Salvator Rosa, Giovan Lorenzo Bernini, Max Klinger, Adolph von Menzel, Franz von Stuck, Adolf von Hilde­brandt (in München gibt es ein wunderbares Hildebrandt-Haus) Hans von Marées, Auguste Rodin, Gustav Klimt, Käthe Kollwitz, Max Liebermann, Max Beckmann (»Dream of Weltkarte«: ein mystisches Rätsel zum Eintauchen), Otto Mueller, Hans Grundig …

Wermutstropfen: Ob es klug und einfühlsam ist, Emil Nolde neben Käthe Kollwitz zu hängen, wenn man sich die seit einigen Jahren diskutierten NS-Verstrickungen Noldes vor Augen führt? Nicht nur am Rande: Die Exklusivität der Leipziger Graphischen Sammlung wurde auch bei »Bernini. Erfinder des barocken Rom« (2014/15) deutlich, der seit der Eröffnung des Neubaus im Jahr 2004 besten Ausstellung. Fazit: Unbedingt die Liebste oder den Liebsten schnappen und ab ins Museum!

»Angelika Tübke«, »Sammlung im Blick: Bernhard Heisig« und »Sammlung im Blick: Zeichnungen aus sieben Jahrhunderten«, Museum der bildenden Künste Leipzig, Katharinenstr. 10: Di. u. Do.–So. 10–18 Uhr, Mi. 12- 20 Uhr, Feiertage 10–18 Uhr, am zweiten Mittwoch im Monat freier Eintritt

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Februar 2019