Karla Voigt: Zeitreise

Von Lavinia Hudson

Mit einer kleinen aber feinen Ausstellung begrüßt das Stadtgeschichtliche Museum den Frühling und lädt zu einer Zeitreise in den roten Porphyr-Museumsblock im Böttchergäßchen ein. Es geht in die 1970er Jahre: Die unzureichende Versorgung mit Wohnraum wurde zu einem der drängendsten Probleme in der DDR. Mit dem Wohnungsbauprogramm der DDR wurde vom Zentralkomitee der SED auf seiner Tagung im Jahr 1973 das Wohnungsbauprogramm beschlossen, mit dem Ziel, die Wohnungsnot bis zum Jahr 1990 zu lösen. Der Hauptweg zur Erfüllung dieses anspruchsvollen Ziels lag im extensiven Neubau auf der grünen Wiese mit Hilfe des in der gesamten DDR verwendeten »WBS 70« Einheitsplattensystems. In Leipzig-Grünau wurde im Jahr 1976 der erste Spatenstich für ein Wohngebiet für 100000 Menschen gelegt. Für viele Leipziger bedeutete dies eine Verbesserung der Wohnverhältnisse. Zentralheizung und Bad waren ein enormer Fortschritt. Heute leider oft vergessen, wenn gegen die »Platte« polemisiert wird.

Die Fotografin Karla Voigt hat im Rahmen ihrer Diplomarbeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst von 1979 bis 1981 den Umzug einer Hausgemeinschaft aus der Kuchengartenstraße 8 in den damals entstehenden Stadtteil Leipzig-Grünau und damit die Herausforderungen der Pionierzeit in Leipzig-Grünau und das Einleben in einer neuen Umgebung, die für Jahrzehnte eine neue Heimat werden sollte, fotografisch festgehalten.

Im Mittelpunkt der sozialhistorischen Dokumentation stehen die Menschen mit ihren Sehnsüchten und Wünschen. Bei diesem Projekt wurde der gesamte Prozess von der Grundsteinlegung 1976 über die Planung des Umzuges bis zum Einzug in die neuen Wohnungen festgehalten. Hell und Dunkel sind unsere Erinnerungen, sie treten ins Licht, schwenken in den Schatten und Schwarz-Weiß sind die Fotografien von Karla Voigt. Eine wirklich sehenswerte, wenn auch kleine Ausstellung über eine vergangene Zeit. Nach dieser Zeitreise erwartet die Besucher wieder die Gegenwart und ein immer noch real existierendes Problem: Wohnungsmangel!

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im April 2019