Suchtpotenzial mit Ariane und Julia

Musikkabarett »Suchtpotenzial mit Ariane und Julia«Foto: Torsten Goltz

Jurymitglied sein ist schön und ist schwer …

Beobachtungen bei der jüngsten Leipziger Lachmesse
Von Michael Zock

Ja, ich hatte die Ehre, ja ich hatte das Vergnügen, ja alles bleibt unvollständig. Vom 20. bis 27 Oktober war in dieser Stadt, meist nach 20 Uhr, Lachen in den unterschiedlichsten Facetten Trumpf.

Auch ein Jurymitglied trifft eine Vorauswahl, denn kein Einzelner konnte das Wahnsinnsangebot bewältigen. Ich weiß nicht, wofür Sie sich eventuell entschieden haben. Ich gewähre an dieser Stelle Einblick in meine Tagebuchnotizen. Meist eine Stunde nach der jeweiligen Veranstaltung entstanden und somit der erste Eindruck, er hat ja bekanntlich seinen besonderen Reiz.

Sexualität mal laut, mal lustig, mal geistreich

Schon der Einlassdienst im Kupfersaal fragte mich zweideutig, wo ich denn meinen Eintrittsstempel hinhaben möchte. Ich entschied mich für den Handrücken, obwohl es auch intimere Möglichkeiten gegeben hätte. »Suchtpotenzial mit Ariane und Julia« brachte dann den ausverkauften Saal am Sonnabend so in eindeutig zweideutige Stimmung, dass es kaum noch Steigerungsmöglichkeiten gab. Die beiden langhaarigen jungen Frauen können einfach alles, singen und instrumentieren, schreien und tanzen, sowie Männlein und Weiblein erotisch auf die Schippe nehmen. Das Publikum, quer durch die Generationen, war aus dem Häuschen und erklatschte (im Takt) zwei Zugaben. Man möchte, man muss die beiden wiedersehen und -hören. Ihr Auftritt macht süchtig. Er ist perfekt.

»Suchtpotenzial« 26.10.2019 Kupfersaal

Christoph-Fritz

Christoph Fritz erhielt vom Publikum den KupferpfennigFoto: Ernesto Gelles

Kupferpfennig Wettstreit

Der Academixer-Keller war proppevoll. Die gegeneinander Antretenden auf der Bühne durchweg bedeutend jünger als das zahlende Publikum, das ja gleichzeitig auch Juror war, als es seine Pfennige am Ende verteilte, und Christoph Fritz aus Österreich zum Sieger kürte. Verdientermaßen. Kurios, er ist »erst« 25, geht auch noch visuell als 15-Jähriger durch und spielt geschickt mit dieser Alterslosigkeit, bietet durchweg überraschende Pointen. Jane Munford aus der Schweiz und Bernard Paschke, ein Neu-Leipziger, mussten sich da geschlagen geben.

Bemerkenswert der gewohnt schräge Moderator Christoph Walter am Mikrofon und die radikale »90-jährige« Anke Geißler im Rollstuhl.

23.10.2019 Kabarett academixer

Der »Ausbilder« strapazierte die Lachmuskeln

»Ausverkauft«, das ist zumindest ein Kriterium dafür, dass viele, man reiste sogar aus Berlin an, diesen schrägen Typen sehen wollten. Auch die Frauenquote stimmte im Saal, obwohl es doch sehr soldatisch zuging. Wenn Holger Schmidt auf der Bühne brüllte, da zuckte nicht einer zusammen, alle standen sogar einmal auf Befehl auf, erzeugten Geräusche, piepsten oder knarrten und waren einfach albern. Lustig machen über die Armee und deren Rituale, das kam auch diesmal an, auch bei Nichtgedienten. Die Anzahl steigt in der BRD bekanntlich seit Jahren. Als der Ausbilder ganz soldatisch durch das Publikum läuft, sich über selbiges lustig macht, mal intime Fragen provoziert, Übelnehmen gab es nicht. Am Ende eine Schlange, denn viele wollten ein Autogramm von dem, der behauptet, »Männer sind Luschen«, er nahm sich dabei übrigens nicht aus.

»Die Lusche im Mann« am 21.10.2019 in der Pfeffermühle

Eine Gitarre, eine Geige und zwei Stimmen

Die Instrumente gehören der Schweizerin Uta Köbernick und natürlich auch ihre (Gesangs-) Stimme. Der Österreicher Stefan Waghubinger hat nur seine (Sprech)Stimme. »Warum nicht?« heißt ihr erstes gemeinsames Programm, dem man doch noch ein wenig anmerkt, dass da zwei Solisten auf der Bühne der Leipziger Pfeffermühle stehen, aber … sie bilden einen wunderbaren Kontrast. Mitdenken und Nachdenken, das verlangen und erwarten die beiden »Unterschiedlichen« vom Publikum. Schnelle und laute Lacher gibt es da nicht, so reagierte auch das Publikum. Einen winzigen Fehler leistete sich Uta, als sie in ihrer Solonummer eine »Ossi« markierte. Liebe Frau Köbernick: Auch in Leipzig sagt man »zu Weihnachten« und nicht »an Weihnachten«. Trotzdem, für mich war dieser Abend ein Geschenk, für mich war dieser Abend merkwürdig, sprich: des Merkens würdig.

»Warum nicht?« am 20.10.2019 in der Pfeffermühle

PS: Auch im nächsten Jahr gibt es wieder eine Messe dieser speziellen Art. Es lohnt, sich um Karten zu bemühen, die es im Übrigen zur Genüge im Vorverkauf geben wird.

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im November 2019