Die Dornen der Robinie führten zu ihrem wissenschaftlichen Namen Robinia pseudoacacia.
Die »Kanadische Goldrute« (Solidago canadensis) ist auf Ruderalflächen weit verbreitet.
Die »Gewöhnliche Waldrebe« (Clematis vitalba) kann Gehölze vollständig überwuchern. Fotos: Gerd Eiltzer
Die neue Sonderausstellung des Naturkundemuseums lädt ein die 100-jährige Sammlung mit der unsicheren Zukunft mal wieder zu besuchen. Nachdem 2010 sogar die Schließung drohte, hat die Stadt den versprochenen Masterplan bis heute nicht zur Beschlussfassung im Stadtrat vorgelegt und auch die Standortfrage ist weiterhin ungelöst.
Mit der aktuellen Ausstellung wird ein Teilaspekt der weltweit bedrohten Biodiversität konkret bezogen auf Sachsen dargestellt. Unter Biodiversität versteht man die Vielfalt allen Lebens auf der Erde, von der genetischen über die der Arten bis hin zur Diversität der Ökosysteme. Als Neobiota werden die Tier- (Neozoen) und Pflanzenarten (Neophyten) bezeichnet, die sich nach der Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 in einer Region unter Mithilfe des Menschen neu angesiedelt haben. In der Wissenschaft wird diese Besiedlung durch gebietsfremde Organismen als »Invasion« bezeichnet. Wer denkt in diesem Zusammenhang nicht an die Kaninchenplage in Australien oder die Killerbienen in Amerika? Direkt neben dem Museum stehen zwei typische urbane Neophyten einträchtig beieinander – Götterbaum und Robinie. Die Neobiota, die sich in der freien Natur über mehrere Generationen ohne Hilfe des Menschen fortpflanzen, gelten als etabliert; die Kartoffel z.B. ist kein eingebürgerter Neophyt, sie kann das nicht.
In Deutschland wachsen in Parks, Gärten und Gewächshäusern sowie in der Natur um 3500 Neophyten, von denen ca. 15% etablierte Arten sind, und davon gelten 10% als problematisch. Viele der in der Ausstellung gezeigten Pflanzen stammen ursprünglich aus Gärten und benötigten verschiedene Zeiträume, ehe sie verwilderten. Das gelbblühende Kleinblütige Springkraut z.B. wurde 1837 im Botanischen Garten Dresden ausgesät und ist inzwischen der häufigste Neophyt in mitteleuropäischen Wäldern. Anders das Drüsige Springkraut oder der Japanische Staudenknöterich, sie wurden ebenfalls in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingeführt, treten aber erst seit kurzem massenhaft auf. Der Staudenknöterich wurde in den 60er Jahren erstmals im Auwald nachgewiesen und gilt seit den 90er Jahren als eingebürgert. Die »Gewöhnliche Waldrebe«, bei uns eher unproblematisch, gilt in Neuseeland als einer der schlimmsten Invasoren. Keiner der dortigen Pflanzenfresser scheint sich für die Lianenart, die massenhaft Bäume und Sträucher erstickt, zu interessieren.
Von den Neozoen gelten in Deutschland ca. 250 Arten als etabliert. Nutria gibt es in Leipzig und Umgebung erst seit kurzem, irgendwer hat sie nach 1990 einfach freigelassen, da mit ihnen kein Geld mehr zu verdienen war. Der Asiatische Marienkäfer wurde für die biologische Schädlingsbekämpfung in Gewächshäusern eingeführt und breitet sich seit 2002 schnell aus. Er ist, wie man in der Ausstellung sieht, deutlich größer als unsere Motschekiebchen und könnte diese verdrängen. Zu sehen gibt es auch die Miniermotte und auf einem Foto sogar deren Larven in den Kastanienblättern. Die »Weiße Rosskastanie« wurde 1576 vom Balkan eingeführt und es dauerte über 500 Jahre bis zur Ankunft der Miniermotte.
Obwohl das Wissen über biologische Invasionen enorm zugenommen hat, sind belastbare Voraussagen darüber, ob und wann Neobiota zu ökonomischen und ökologischen Schäden führen, nicht möglich. Generell sind invasive Organismen in ihrer neuen Heimat Fremdkörper und haben anfangs kaum Feinde. Einheimische Eichen und Birken werden von weit über 300 Insektenarten genutzt, dagegen sind es bei der Rosskastanie neun und bei der Robinie zwei. Es dauert Jahrhunderte, ehe die Neuankömmlinge Teil stabiler Ökosysteme werden, die ursprünglichen Lebensgemeinschaften bleiben dabei auf der Strecke.
Weltweit gelten invasive Arten neben der Zerstörung natürlicher Lebensräume als die zweitgrößte Gefährdung der biologischen Vielfalt. In Deutschland ist das Ausbringen gebietsfremder Tiere und Pflanzen in natürliche Lebensräume genehmigungspflichtig; es ist also verboten Aquarien- und Terrarieninhalte einfach in Gewässer zu entsorgen. In Frankreich sind bis zu 30 cm große Rotwangen-Schmuckschildkröten zur Gefahr für die Brut einheimischer Fische und Amphibien geworden. Es ist an der Zeit unser eigenes Verhältnis zu nicht einheimischen Tieren und Pflanzen zu überdenken. Angesichts der Tatsache, dass überall in der Welt einzelne Garten- und Nutzpflanzen zu gefährlichen und kostspieligen Invasoren geworden sind, sollte man sich schon fragen, ob es für Garten und Balkon nicht Alternativen gibt unter den Arten, die schon seit Jahrhunderten bei uns kultiviert werden.
Alle über die Ausstellung hinausgehenden Informationen stammen aus dem Buch »Die Ameise als Tramp« von Bernhard Kegel (DuMont Buchverlag 2013, ISBN 978-3-8321-6237-5). Wer sich dafür interessiert, warum es auf Guam keine einheimischen Vögel mehr gibt oder wie ein Eimer Nilbarsche das Leben im und am Victoriasee verändert hat, dem sei die Lektüre wärmstens empfohlen.
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe November 2014
LEIPZIGS NEUE SEITEN Startseite • Kontakt • Impressum