Diese Zeitung

Im Jahre 2000 erschien in LEIPZIGS NEUE ein Text von Edmund Schulz unter dem Titel »Eine Zeitung im verflixten siebenten Jahr«, Unterzeile »LEIPZIGS NEUE steht aus Geldmangel permanent vor dem Aus«. Der Beitrag begann so:

»Als im Frühjahr 1993 einige Journalisten sich daran machten, für Leipzig eine linke Zeitung zu gründen, waren sie wohl von der Notwendigkeit über­zeugt, dass diese Stadt ein solches Blatt benötigt. Weniger überzeugt hingegen waren sie, ob dieses Expe­riment gelingen würde, und wenn ja, wie lange es Bestand haben werde. Fehlte es doch vor allem an einem: ­an Geld. Denn ohne Geld ist die im Grundgesetz formulierte und verfas­sungsrechtlich verbürgte Pressefrei­heit nicht einmal das Papier wert, auf das der Artikel 5 GG gedruckt wird.

Ganze 20000 Mark konnten als Anfangskapital aufgebracht werden, woran auch der erste Traum zer­brach, der einer Wochenzeitung. Selbst das Überleben der dann am 1. Mai 1993 mit einer Null-Nummer aus der Taufe gehobenen Zweiwo­chenzeitung LEIPZIGS NEUE stand und steht seitdem immer wieder in Frage. Dass es dennoch gelang, die­ses kleine Blatt über die Jahre am Leben zu erhalten, grenzt schon an ein Wunder. Das Wunder wurde möglich durch treue Abonnenten, nimmermüde Spender und durch eine kleine Gruppe Enthusiasten, die ohne Honorar und Aufwandsentschä­digung bis heute 159 Ausgaben (davon fünf Doppelnummern) im Um­fang von jeweils 16 bzw. 32 Seiten von LEIPZIGS NEUE produzierten.

Wunder haben jedoch ihre Gren­zen. Auf Dauer kann man nicht auf sie bauen. Mehr Abonnenten sind nicht nur wünschenswert, sondern notwendig – vor allem aber Anzei­gen. Und gerade damit hapert es. Während die bürgerliche Presse zwei Drittel ihrer Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft erlöst (und so indirekt subventioniert wird), bleibt diese Finanzierungsquelle für linke Zeitungen weitgehend verschlossen. Weitgehend – das heißt nicht völlig. Eine Buchhandlung, eine Apotheke, ein Betriebsabrechnungsservice, aber auch die Rosa­-Luxemburg-Stiftung Sachsen, die Leipziger PDS­-Stadtratsfraktion und der PDS-­Stadt­vorstand inserieren regelmäßig in LEIPZIGS NEUE. Doch das reicht nicht, um auf die notwendigen 800 Mark pro Ausgabe zu kommen. In der Redaktion gibt man jedoch die Hoffnung nicht auf, dass sich auch bei anderen linken Unternehmern sowie bei Vereinen und Vorständen die Erkenntnis durchsetzt, dass die Linke eine eigene Presse braucht und sie mit Inseraten (die ja auch ihnen nützlich sind) dazu beitragen können, dass LEIPZIGS NEUE im vielbeschworenen Jahr 2000 weiter­hin erscheinen kann.

LEIPZIGS NEUE ist keine PDS­-Zeitung. Sie ist weder im Besitz die­ser Partei noch lässt sich die Redak­tion, etwa auf Grund von Spenden aus der PDS, vorschreiben, wie sie zu denken oder was sie zu publizie­ren hat. Herausgeber des Blattes ist der eingetragene Verein ›Projekt linke Zeitung‹, in dessen Satzung die Unabhängigkeit der Zeitung von ›politischen Parteien, Organisatio­nen und Verbänden‹ festgeschrieben ist. ... «

Die Zeitung gibt es immer noch. 800 Deutschmark reichen schon lange nicht mehr für den Druck und Vertrieb der Zeitung, die »Nebenkosten« sind ebenfalls kontinuierlich gestiegen. Die »Hauptsponsoren« der Zeitung sind die gleichen, potentielle Werbekunden noch immer nicht überzeugt, dass man gerade in dieser Zeitung eine interessante Lesergruppe ansprechen kann. Auch die redaktionelle Arbeit wird noch immer ehrenamtlich geleistet …

Und der herausgebende Verein ist noch immer davon überzeugt, dass gerade in Leipzig eine unabhängige linke Zeitung notwendig ist. Das Blatt hat auf der einen Seite Schwierigkeiten, auf der anderen Seite Pläne für die Zukunft. Und die Macher – es sind nicht mehr die der allerersten Stunde – lassen sich nicht unterkriegen.

Nachtrag 2016

Ende 2015 kam doch das Ende der Zeitung. Die Ursachen waren die Finanzen und das Personal. Im Frühjahr 2016 versucht eine Arbeitsgruppe des Herausgebervereins einen Neustart innerhalb des Mitteilungsblatts der Leipziger LINKEN. Im Herausgeberverein ist dieser Neustart sehr umstritten. Einige Vereinsmitglieder sind nicht bereit, diesen Weg mitzugehen. Einige Autoren stehen nicht mehr zur Verfügung. Aber es ist ein Versuch, mit Leipzigs Neuen Seiten publizistisch zu wirken.

Im Februar 2020 wurde dieser Versuch beendet. Die Zukunft ist digital, so das optimistische Statement in der Mitgliederversammlung des Vereins. Aus Leipzigs Neuen Seiten wird das Online-Magazin LeipzigsNeue.de

Neustart als Online-Magazin? Nein!

Am 5. Juni 2020 befand die Mitgliederversammlung des Herausgebervereins ohne Gegenstimmen: Leipzigs Neue wird – egal ob gedruckt, beigelegt oder als reine Online-Publikation – eingestellt. Die redaktionelle Kraft reicht nicht, um dem Anspruch des Projekts gerecht zu werden. Von der ökonomischen Kraft ganz zu schweigen …

Die Online-Adresse soll bewahrt werden und natürlich das Archiv. Es könnte ja auch in Zukunft für diesen oder jenen Menschen Bedeutung haben.