Abschied per Krankenschein und letzte Mendelssohn-Festtage

Von Werner Wolf

Dieser vorzeitige Abschied – der abgeschlossene Vertrag ging bis 2020 – wird in der inzwischen 273-jährigen Geschichte des Gewandhausorchesters ein Kuriosum bleiben: Nach elfjährigem erfolgreichen Wirken als Gewandhauskapellmeister sagt Riccardo Chailly sein Abschiedskonzert kurzfristig per Krankenschein ab. An seiner Stelle dirigierte sein designierter Nachfolger Andris Nelsons Gustav Mahlers grandiose dritte Sinfonie und ließ mit seiner tief bewegenden Interpretation gewiss werden, dass von ihm Großes zu erwarten bleibt.

Die neue Spielzeit eröffnete Chaillys Vorgänger, der Gewandhaus-Ehrendirigent Herbert Blomstedt, mit der zweiten Leonoren-Ouvertüre, dem Klavierkonzert Es-Dur mit András Schiff als meisterlichen Solisten und der siebenten Sinfonie von Ludwig van Beethoven in denkbar eindringlicher Weise. Nach dieser von tiefem Empfinden erfüllten »Siebenten« darf man auf deren baldiges Erscheinen als CD und den CD-Zyklus mit allen Beethoven-Sinfonien unter Blomstedts altersweiser und durchgeistigter Gestaltung gespannt sein. Die weiteren ursprünglich mit Chailly geplanten Konzerte liegen bei Blomstedt und Nelsons, der sein Amt erst im Februar 2018 antreten kann, in besten Händen.

Dem beeindruckenden Eröffnungskonzert folgten innerhalb der letztmals veranstalteten Mendelssohn-Festtage drei vokalsinfonische Höhepunkte. Unter Leitung von Andrew Manze an Stelle des verhinderten Sir John Eliot Gardiner erklang mit Gardiners Londoner Monteverdi-Chor und dem Gewandhausorchester die Sinfonie-Kantate »Lobgesang«. Darauf folgte mit dem MDR-Chor und -Sinfonieorchester Mendelssohns erstes Oratorium »Paulus« unter Leitung des MDR-Chorchefs Risto Joosts. Als dritte Großtat war mit dem Balthasar-Neumann-Chor und dem Gewandhausorchester unter Leitung von Thomas Hengelbrock Mendelssohns zweites Oratorium »Elias« zu erleben. Ausgeklammert blieb auch diesmal Mendelssohns erstes großes chorsinfonisches Werk »Die erste Walpurgisnacht« nach einer Dichtung Goethe. Zum Glück gibt es davon eine großartige Einspielung mit dem Leipziger Rundfunkchor und dem Gewandhausorchester unter Leitung von Kurt Masur in der ETERNA-Mendelssohn-Edition.

Zwar wurde angekündigt, dass die Mendelssohn-Festtage künftig ins Leipziger Bachfest integriert werden sollen, doch ist davon im Programm für 2018 wenig zu finden. Da müsste für 2018 noch eine Lösung gefunden werden.

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Oktober 2016