Das LNS-Interview:

Skadi Jennicke,
Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig

 

Skadi, Du bist jetzt mehr als 100 Tage im Amt. Sicher noch keine Zeit für eine Zwischenbilanz, sondern für …

… das Resümee eines Auftaktes.

Kultur und Visionen gehören zusammen. Noch haben wir die Chance, drei noch nicht in alle Winde zerstreute Künstler-Nachlässe direkt von den Familien zu erwerben: Werner Tübke, Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig. Und vielleicht auch noch mögliche Vorlässe der zweiten Generation von Malern der Leipziger Schule. Wie kann die Stadt da mithelfen, diese Schätze für Leipzig dauerhaft zu sichern?

Die Sammlung bildender Kunst wurde in Leipzig immer von Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt, zugegebener Maßen eher von wirtschaftlich potenteren, wahrgenommen. Das heißt, hier hat nie ein Herrscher mit Kunst sein Schloss ausstaffiert. Zumeist war es diesen Leipziger Sammlern ein Bedürfnis, das Gesammelte öffentlich zugänglich zu machen. Dieser Tradition sehen sich auch heute noch zahlreiche Bürger unserer Stadt verpflichtet. Das ist von unschätzbarem Wert und ergänzt das kommunale Engagement auf wunderbare Weise. Mit der Tübke Stiftung Leipzig und der Maximilian Speck von Sternburg Stiftung haben wir im Bereich der bildenden Künste sehr gute Beispiele für bürgerschaftliches Engagement. Zu Werner Tübke können wir uns bereits seit 2006 über das private Engagement der Künstlerwitwe, Frau Brigitte Tübke-Schellenberger, erfreuen, die die Tübke Stiftung Leipzig mithilfe der Stadt Leipzig ins Leben gerufen hat. Die Tübke Stiftung feiert in diesem Jahr also ihr 10-jähriges Bestehen. Wir als Stadt sind jederzeit gern bereit, mit den Erben weiterer Künstler zu kooperieren.

Neue nationale und internationale Impulse könnte ein »Kunstmuseum Leipziger Schule« geben, als Hort der Nach- und Vorlässe, mutig entworfen von einem Stararchitekten wie Sir Norman Foster, Daniel Libeskind oder Renzo Piano, natürlich in Innenstadtlage. Wird die Stadt den Mut haben, hier eine Entwicklung voranzutreiben?

Das städtische Museum für diesen Bereich ist das Museum der bildenden Künste. Dort findet auch Vor- und Nachlasspflege statt. Aber das Museum braucht Partner, um nachhaltig das Erbe Leipziger Künstlerinnen und Künstler zu sichern. Immer wieder gibt es Ankäufe und Schenkungen, die von enormem Wert sind. Über die Herausforderung, wie man zukünftig Vor- und Nachlässe systematisch sammeln und pflegen kann, gibt es derzeit eine landesweite Debatte. Einfache Lösungen gibt es, wie überall, auch hier nicht. Den von Ihnen angesprochenen Neubau haben wir schon: es ist das Museum der bildenden Künste am Sachsenplatz. Es ist gerade einmal zwölf Jahre in Betrieb. Die Auseinandersetzung mit der Leipziger Schule in all ihrer Diskontinuität und die Sammlung von Werken ihrer Künstlerinnen und Künstler gehört zu den Kernaufgaben dieses Hauses.

… die Bedenken sind zu verstehen, aber könnte dies nicht ein Meilenstein in der Kulturpolitik der nächsten Jahrzehnte werden und ein nachhaltiger generationenübergreifender Beitrag für die Identität und das Selbstverständnis dieser Stadt?

Noch einmal: Das Gravitationszentrum der bildenden Kunst in unserer Stadt zu sein und zugleich damit internationale Strahlkraft zu entwickeln, ist die zentrale Herausforderung für das Museum der Zukunft.

Die nächste Baustelle ist die Besetzung des Direktorenpostens im Museum der bildenden Künste. Max Hollein, der junge und schon legendäre Städel-Direktor, ist jetzt in San Francisco. Wo bekommen wir gute Kandidaten her?

Die Ausschreibung läuft noch bis zum 17. Oktober. Wir sprechen zudem gezielt potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten an, sich zu bewerben. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine herausragende Persönlichkeit finden werden, die das Haus entwickelt und zugleich an die bürgerliche Sammlungstradition anzuknüpfen vermag. Reines Namedropping werden wir aber nicht betreiben.

Der Ankaufsetat des Bildermuseums ist knapp bemessen, wenn man auf dem Kunstmarkt mithalten will. Sind hier Verbesserungen angedacht?

Ohne Unterstützung von öffentlichen Drittmittelgebern und vor allem auch privaten Förderern und Unterstützern werden wir auch in Zukunft keine Kunst ankaufen können. Der Kunstmarkt hat sich von den Möglichkeiten öffentlicher Finanzen allzu oft entkoppelt.

Enrico Lübbe zeigt Stadttheater im besten Sinne, wohltuend nach der desaströsen Hartmann-Ära. Wie kann die Stadt das Gebäude der ehemaligen SKALA, der noch früheren NEUE SZENE, für die Stadt sichern?

Es gab im vergangenen Sommer eine Ausschreibung der Gottschedstraße 16. Möglich sind Angebote zum Kauf oder Erbbaupacht. Zwingend ist die Vorlage eines kulturellen Konzeptes für das Gebäude. Das hat er der Stadtrat so beschlossen und ich finde das richtig. Die Auswertung der Konzepte dauert zugegebener Maßen zu lange, die Verwaltung hat sich hier bislang über ein Jahr Zeit genommen. Inzwischen hat sich der Verkehrswert erheblich entwickelt. Ich hoffe sehr, dass wir als Verwaltung hier noch in diesem Jahr zu einer Entscheidung kommen.

Das Naturkundemuseum an den Stadtrand zu setzen ist eher umstritten als beliebt. Kann wenigstens das alte Museumsgebäude am Innenstadtring für die Kultur reserviert werden?

Ich bin zuversichtlich, dass es der neuen Direktion des Naturkundemuseums gelingen wird, ein Konzept zu entwickeln, dass die zukünftige Lage in Plagwitz/Neulindenau wett machen wird. Daran glaube ich fest. Um aber den Ausbau des zukünftigen Standortes auf dem Gelände der Baumwollspinnerei zu ermöglichen, hat der Stadtrat beschlossen, das Gebäude in der Lortzingstraße zu verkaufen. Für die notwendige Sanierung fehlt uns seitens der Stadt auch leider das Geld. Sonst wären wir ja mit dem Naturkundemuseum am Standort geblieben.

Wie kann die Freie Szene weiter unterstützt werden?

Die Freie Szene ist unverzichtbar für die Kultur dieser Stadt und für deren weltoffene und lebendige Atmosphäre.

Mit der Reihe »Impuls Kulturpolitik« starten wir ein Dialogformat, das alle Kulturakteure der Stadt einbezieht, auch die Künstlerinnen und Künstler der Freien Szene. Auch im zukünftigen »Leipziger Kulturrat« wird die Freie Szene mitarbeiten können.

Darüber hinaus werden wir die Fachförderrichtlinie novellieren, das ist überfällig. Und nicht zuletzt steigt der Fördertopf um jährlich 2,5 Prozent, diese Art von Dynamisierung sucht deutschlandweit ihren Vergleich.

Was wünscht Du Dir für Deine Amtszeit?

Ich wünsche mir gegenseitige Wertschätzung aller Beteiligten. Der Diskurs über Kultur in unserer Stadt muss auf Augenhöhe und getragen von gegenseitigem Respekt geführt werden. Nur gemeinsam können wir gestalten. Wenn uns eine andere Diskurskultur gelingt, funktioniert vieles sehr viel leichter. Zu dieser Kultur des Miteinander gehören Ehrlichkeit, Offenheit und Verbindlichkeit.

Skadi, Danke, dass Du Zeit für das Gespräch gefunden hast.

(Interview: Volker Külow, Daniel Merbitz)

Das Interview ist gekürzt erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im November 2016