Kino der Jugend

Fortune für Fortuna

Leipziger engagieren sich in ihrem Kiez

Unsere Stadtteile sind längst postalisch durchnummeriert. Zu 04315 gehören die Bülow- und die Eisenbahnstraße im Osten. Das Areal war Deutschlandradio und dem Zweiten Deutschen Fernsehen kürzlich jeweils eine halbstündige Reportage wert. Wenn da auch anfänglich die vor Jahren geprägte reißerische Pro7-Formulierung von der »gefährlichsten Straße Deutschlands« erwähnt wurde, mühten sich die Radio- und Fernsehjournalisten sowohl um Sachlichkeit als auch um Ausgewogenheit in Wertungen und Interviews. Mein Straßenspaziergang fand kürzlich ohne Kamera und Mikrofon statt, ich hielt nur Augen und Ohren offen. Bemerkte und sah, als die Tage noch etwas wärmer waren, Originelles und Engagiertes bei einem Straßenfest im Bülowviertel. Die üblichen Zutaten, Gespräch, Gesang, Gemeinsames waren zwar nicht zu übersehen, die Mischung war jedoch unverwechselbar und originell, und, es gab nichts Gefährliches, sondern Gemeinsames an jenem langen Nachmittag und Abend.

Dass die »Bülower« und »Eisenbahner«, so nennen die sich mitunter, nicht nur feiern, beweisen sie derzeit an einem Gebäude im Kiez mit fast 100-jähriger Stadt- und Kulturgeschichte. Allerdings hauchte es vor 30 Jahren sein bewegtes Leben aus und soll nun, das wird eine schwierige und nicht ganz billige Operation, zu neuem Leben erweckt werden. Zur Erinnerung: Seit 1946 als »Kino der Jugend« bekannt. Da gab es nicht nur die neuesten Filme zu sehen, sondern vor der weißen Cinemascope-Leinwand viele einmalige Konzerte mit Bands und Gruppen zu hören, die für ein ausverkauftes Haus und lange Schlangen sorgten. Was ist davon geblieben? Eine Ruine! Glücksgöttin »Fortuna« ist noch über dem zugemauerten Eingang zu erkennen.

Übrigens: Sie gab nicht nur ihren Namen zur Eröffnung der »Fortuna-Lichtspiele« am 22. Dezember 1928 her. Er lebt seit 2015 weiter, als sich die IG FORTUNA gründete. Nur ein Ziel vor Augen: den Abriss verhindern, diese legendäre Adresse, als vielseitige Kulturstätte für die heutige Zeit zu erhalten, gerade weil es die Eisenbahnstraße 162 ist. Nicht immer ein Wohlfühlviertel. Als ich jetzt vor dem Gebäude stand, dachte ich: Mann, die haben aber Mut! Den brauchen sie auch. Seit der IG-Gründung ist schon einiges passiert. Ein wichtiges Ziel, die Stadt für dieses Projekt zu interessieren. Es gibt ein ähnliches Beispiel aus dem Leipziger Süden: das »UT-Connewitz«. Das war schon schwierig. Heute ist es in der Kulturszene Deutschlands bekannt und ein Begriff. Das UT wurde durch das Engagement vieler vor dem Ende gerettet. Beim »Kino der Jugend« ist es im Moment sehr schwierig, vielleicht wird es mal sehr schön. Spricht man mit den Engagierten, dann gibt das Hoffnung, und die stirbt bekanntlich zuletzt.

MIZO

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Dezember 2016