AOK-Gebäude

AOK-Gebäude, Rückseite, 1927 Foto: Nachlass Krayl, KHM Magdeburg

Späte Wiederentdeckung

Von Daniel Merbitz

Warum einer der bedeutendsten Architekten der Moderne der 1920er Jahre erst so spät wiederentdeckt wird, ist ein Rätsel. Carl Krayl (1890–1947), Mitglied in wichtigen Künstlergruppen der Avantgarde, wie u.a. in Bruno Tauts Briefkreis »Gläserne Kette« und dem »Arbeitsrat für Kunst«, war einer der Vordenker der Moderne, Visionär, Architekt und Künstler zugleich. Nun widmet sich das Kulturhistorische Museum in Magdeburg in einer breit und fundiert angelegten Schau dem auch in der DDR erst vorsichtig in den 1970er Jahren anerkannten Architekten.

Von Bruno Taut 1921 nach Magdeburg geholt, wurde Carl Krayl zu einem wichtigen Gestalter und Entwickler des Neuen Bauens, welches der Sachlichkeit verpflichtet war, seine Wurzeln im Expressionismus jedoch nicht verleugnend. Jahre bevor Metropolen wie Frankfurt am Main und Berlin diesen Weg einschlugen. »Licht, Luft und Sonne« waren die Leitmotive für seine Kompositionen aus Stein, Glas und Beton. Realisierte Entwürfe für die AOK-Verwaltung und das Gewerkschaftshaus (heute ein Hotel) sind Meilensteine, die in einem kreativen Umfeld aus Künstlern, Stadtplaner, Reformpädagogen und Architekten gediehen. Bunte Fassaden, heute würde man Streetart sagen, prägten ganze Straßenzüge – entworfen von Carl Krayl. Stadt wurde gestaltet, nicht nur verwaltet. Moderne war nicht nur ein Stil, sondern für Carl Krayl eine Haltung. Eine längst überfällige Retrospektive für einen Avantgarde-Architekten!

»Bunte Stadt – Neues Bauen. Die Baukunst von Carl Krayl«, zu sehen bis 12. Februar 2017 im Kulturhistorisches Museum, Otto-von-Guericke-Str. 68–73, Magdeburg

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Dezember 2016