»Never ever disconnected«

»Never ever disconnected« Foto: Rolf Arnold/Schauspiel Leipzig

Pubertät und Politik

Von Daniel Merbitz

Auf der Hinterbühne des Leipziger Schauspielhauses zeigt der Theaterjugendclub namens »Sorry, eh!« eine Collage nach Texten von Falk Richter: »Never ever disconnected«.

Es geht um die erste Liebe, die ersten Triebe. Sex und Sehnsucht im ewigen Diskurs der rauschenden Hormone. Jungen und Mädchen erzählen und zeigen ihre Freude und ihre Leiden in der prägenden Lebensphase der Pubertät, des jungen Erwachsenendaseins. WG oder Ruhe? FSJ oder Studium? Und es geht weiter tiefer in die Seele hinab: »Wenn ich nur zwei Wörter hätte: Was bleibt?« Doch auch das Alltägliche, der Zwang des Modelglamours, der Diätwahn werden thematisiert.

Und der zeitgenössische Spießer mit Lederjacke, Hawaiihemd, Jeans und Turnschuhen, der sich über den Lärm und das Leben der Jugend aufregt. Freunde werden in Facebook blockiert, das neueste Youtube-Video geschaut und getanzt und übers Hier und Heute nachgedacht: Ein Mädchen erkennt auf dem Video ihre Freundin, als sie von einem Polizisten zusammengeschlagen wird und Wut bekommt auf diese pfeffersprühenden »Hooligans in Uniform«, die bei einer Demo gegen NSU, NSA, TTIP, PEGIDA, genau weiß sie es nicht mehr, eingesetzt waren. Nein, unpolitisch ist anders. Ein Glanzpunkt ist die Szene »Um zwei Uhr nachts« – hier treffen sich die Facebooker, die Youtuber, die Einsamen, die Orientierungslosen, die Schläger und die Geschlagenen, die Liebenden und die Verlassenen.

Regisseur Yves Hinrichs zeigt eine lebensfrohe und trotzdem nachdenkliche Jugend und erzeugt starke Bilder, wenn beispielsweise auf der Drehbühne ein Harmonium steht, dann das Ensemble rennt, singt und tanzt – ja, hier versteht ein jeder: Der Kreis des Lebens dreht sich. Die Suche nach der Ich-Identität wird zum Ereignis. Ganze Lehrbücher über die Entwicklungspsychologie werden hier in theatralische Momente destilliert. Gleichzeitig hat Yves Hinrichs ein reduziertes, aber eindringliches Bühnenbild geschaffen: eine lange, mannshohe Lichtorgelwand, gewölbt im Drehbühnenradius, die in ihrer Ästhetik an die späten 1970er Jahre, mit den Schauspielerschatten an James-Bond-Filmvorspanne, an Diskotrubel erinnert und am Schluss mit dem Minitrickfilm an die Schwarz-Weiß-Comicweltsprache.

Fazit: Bestes Theater für die Jugend und auch für Junggebliebene!

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Februar 2017