Blick auf Messeamt und Rathaus

Markt mit Messeamt: Blick vom Thomaskirchturm auf das Alte Rathaus, das Messehaus am Markt und das Messeamt, um 1968Foto: Stadtgeschichtliches Museum

Auferstanden aus Ruinen

Von Daniel Merbitz

… und der Zukunft zugewandt: Die Aufbauleistungen in den Jahren 1945 bis 1976 stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig. Mit Fotos, Architekturmodellen und anschaulichen Informationstafeln werden die Entwicklungslinien, die Erfolge, Irrwege, Visionen und auch die Widersprüche nachgezeichnet. Die Entwicklung im Städtebau der Nachkriegszeit, vom Anknüpfen ans Neue Bauen und an das Bauhaus der 1920er Jahre bis hin zur Typenprojektierung, kann gut nachvollzogen werden. Der Sanierungsplan 1949 zeigt die Ausmaße der großen Bauaufgaben. Durch die Konzentration der Luftangriffe auf die Innenstadt waren öffentliche Gebäude überdurchschnittlich stark betroffen: Gewandhaus, Altes und Neues Theater, das Museum der bildenden Künste, die Markthalle, Johannis-, Matthäi- und Trinitatiskirche gingen vollständig verloren. Hauptbahnhof, Grassimuseum, Konservatorium und Kunstakademie wurden in der Nachkriegszeit wieder aufgebaut. Von 225.000 Wohnungen waren 44.000 total zerstört, weitere 50.000 beschädigt.

Höchst interessant ist der Beschluss der DDR-Regierung zum Städtebau im Jahr 1950. In den »16 Grundsätzen des Städtebaus« wird die ästhetische und baupolitische Programmatik der jungen Republik zusammengefasst: Ziel war die traditionelle, von großer Hand komponierte und auf das Zentrum orientierte Stadt. Im Zentrum befinden sich die wichtigsten politischen, administrativen und kulturellen Stätten, die monumentalsten Gebäude, seine Bebauung bestimmt die Silhouette der Stadt. Ein unverzichtbares Element aller künftigen Stadtzentren in der DDR sollte der zentrale Platz für politische Manifestationen, für Feiern und Volksfeste bilden. Im Rahmen des Generalbebauungsplans der Jahre 1967 bis 1970 wurden die Anforderungen an Architektur und Städtebau weiterentwickelt. Der sozialistische Städtebau sollte die »Stadtkomposition durch Klarheit, Repräsentanz und zweckmäßigen Aufbau Inhalt und Streben unserer sozialistischen Gesellschaft zum Ausdruck bringen«.

Allein der Widerspruch zwischen Repräsentanz und Zweckmäßigkeit lässt ahnen, dass diese Utopie nicht verwirklicht werden konnte. Spätestens mit der Ressourcenumlenkung im Zuge des Wohnungsbauprogrammes in den 1970er Jahren konnten bis auf das Gewandhaus kaum neue repräsentative Großbauten verwirklicht werden.

Zu den wichtigsten Exponaten gehört die Zeittafel der Bauaufgaben, die bis ins Jahr 1990 gepflegt wurde: Ein Megaposter von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, über Bauten für Industrie, Wohnen und Kultur bis hin zu den Namen der Oberbürgermeister.

Wenn es dieser Ausstellung gelingt, die Stadtpolitik und die Bauherren für die DDR-Moderne zu sensibilisieren, dann ist viel gewonnen. Für das Musterbeispiel sozialistischer Bildungsarchitektur, dem 1975 eingeweihten Neubau der Karl-Marx-Universität, kommt dies leider zu spät. Das Ensemble wurde in großen Teilen abgerissen, »umgestaltet« und »saniert« und durch Neubauten ergänzt, das Universitätshochhaus – der »Uni-Riese« – seiner akademischen Funktion beraubt.

Fazit: Eine tiefgründige, Denkanstöße gebende und gut illustrierte Ausstellung!

»Plan! Leipzig, Architektur und Städtebau 1945 – 1976« bis 15. Oktober 2017, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Haus Böttchergäßchen, Di–So 10–18 Uhr

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Juli 2017