Volker Caysa

Screenshot aus einem Video-Interview mit Dr. Volker Casysa, zu sehen bei Youtube.

 

Cover des Buces Luxemburg als Philosophin

 

Mut zur Wahrheit

In memoriam Volker Caysa / Von Wulf Skaun

Die demokratische Linke hat mit dem unerwartet frühen Tod des Leipziger Philosophen Volker Caysa, Autor des Werkes »Empraktische Vernunft«, einen kühnen und innovativen Denker verloren.

Seine im Juli bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen erschienene Studie »Rosa Luxemburg – die Philosophin« ist nun zum Vermächtnis eines Unvollendeten geworden. Wie die Titelheldin, bezweckte auch Caysas strategisches philosophisches Denken, der praktisch-politischen Bewegung der entschiedenen Linken voran zu helfen. Weder immer noch von allen wurde solcherart Parteinahme des Vor- und Querdenkers in der Linken auch demgemäß verstanden.

Neues Denken ist naturgemäß anderes Denken, eine Zumutung für Gewohntes. Es braucht, selbst bei beschworener demokratischer Meinungsfreiheit in den eigenen Reihen, Mut, es öffentlich zu äußern und sich mainstreamigem Widerstand zu stellen. So wurde die radikale Geste Volker Caysas als Parrhesiast, als Wahrsprecher für das, was ist, und als Mahnender an dem, was sich in linkem Denken und Handeln im Interesse höherer politischer Wirksamkeit ändern müsse, mitunter als akademisch-verkopfte Reflexion und, wenn es schlimm kam, gar als entfremdete bildungsbürgerliche Attitüde missverstanden.

Das hinderte ihn nicht daran, auch da ganz in Luxemburgischer Denk- und Kampftradition, der Linkspartei manche Wahrheit ins Stammbuch zu schreiben, auf das sich ihr Einfluss auf die Wähler verstärke. Es sei hier auf seine Überlegungen über die politische Dimension von Stimmungen verwiesen. Souverän sei, wer über den Thymos, die Stimmungslage, einer Kultur verfüge. Die Linke müsse wieder Hegemon über die moderne Kultur werden. Aktuell seien aber thymotische Defizite linken Denkens nicht zu übersehen. »Man nimmt die Stimmungen aus ... dem Untergrund, der schweigenden Mehrheit, dem Rand der Gesellschaft nicht wahr, will sie nicht wahrhaben und glaubt, sie allein mit Verstand in den Griff zu bekommen. Das kann nicht funktionieren, wie schon Spinoza und im Anschluss daran Helmut Seidel immer wieder erinnerte, weil ein Affekt nur durch einen stärkeren Affekt beherrscht werden kann.« Die Linke suche ihre Programmatik zu einseitig auf der kognitiven Ebene, über die Ratio, zu vermitteln. Indem sie die Erkundung und Berücksichtigung der Gefühle, der Stimmungen, der Sehnsüchte und Hoffnungen der Menschen vernachlässige, treibe sie auch bisherige Parteigänger und Sympathisanten neoliberalen, rechtskonservativen Alternativen zu. Linke Thematisierung von Stimmungen dürfe daher nicht als Populismus oder gar als mit materialistischem Denken unvereinbar denunziert werden.

Volker Caysa hat das Unabgegoltene im Leben und Werk Rosa Luxemburgs so tiefschürfend und eindrucksvoll beschrieben wie nur wenige. Nun ist es an uns, sein philosophisches und politisches Erbe anzutreten.

Volker Caysa: Rosa Luxemburg – die Philosophin. Leipzig: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen 2017. 88 S. (Rosa-Luxemburg-Forschungsberichte. Im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen hrsg. von Klaus Kinner und Manfred Neuhaus. Heft 13). ISBN 978-3-947176-00-1. 2,50 EURO

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Oktober 2017