Manga im Grassi-Museum in Leipzig

Weibliche Charakterstudie, aus der Serie: 32 moderne Frauentypen (Imayo sanjuni so), sogenannte Bijin Portraits, erschien 1858, »Die Kontrollierte« Utagawa Kunisada (1786-1865), Sammlung Rathgen Foto: Museum für Völkerkunde Leipzig

Manga, Kunst & Comics

Das Leipziger Museum für Völkerkunde widmet sich einer wissenschaftlichen Tiefenbohrung in einem populären Terrain der Jugendkultur: dem Manga. Dabei werden die Ursprünge, die unterirdischen Quellen der Manga-Comics, der Manga-Welten, der Manga-Mythen ergründet. In einer Vitrine sind Zeichenlehrbücher (»Hokusai Manga«) von Katsushika Hokusai (1760 – 1849) zu sehen, die so beliebt waren, dass sie den heutigen Manga ihren Namen verliehen haben.

Die Mangas, als Form des japanischen Comics, erscheinen in der BRD seit 1982 und wurden Mitte der 1990er Jahr durch die Serie »Dragonball« sehr beliebt. Der Ausstellung gelingt es, in die Urgründe vorzudringen: Die farbigen Holzschnitte, die in Japan »ukiyo-e« heißen, die »Bilder aus der fließenden Welt« (ähnlich dem Untertitel der »Manga Manie« – Ausstellung in der Wohngemeinschaft dreier Museen im Grassi am Leipziger Johannisplatz), spiegeln die Sehnsucht des 18. und 19. Jahrhunderts nach Bilder, Geschichten, Emotionen wider. (Eine auf deutsche Illustrationen spezialisierte Schau war jüngst im Deutschen Historischen Museum in Berlin zu sehen.)

Schauspielerporträts und historische Ereignisse als Sammelbilder geben einen Einblick in die japanische Fankultur, die dem heutigen Fan-Gebaren, von Panini-Bildchen bis Nutella-Deckel-Bildern, nicht unähnlich ist. Das ist eben die Aufgabe eines völkerkundlichen Museums: Die Gesellschaften, das Leben, den Alltag, die Wirtschaft und die Kultur weltweit vergleichend zu bearbeiten. Zeitlose Phänomene werden sichtbar. »Hier wird das Leben gesammelt«, sagt der Ausstellungskurator Dietmar Grundmann. Drei Höhepunkte der Ausstellung seien kurz skizziert.

Der Erste: Eine Bild-Text-Rolle der frühen Edo-Zeit (16. und 17. Jahrhundert) mit der berühmten Erzählung von »Shuten Doji« (ein Held gegen einen menschenfressenden Dämonen) und zugleich Quelle und Inspiration für heutige Manga-Geschichten und Figuren. Ein Ur-Manga für eine vermögende Oberschicht, die sich diese illustrierten Geschichten leisten konnten.

Der Zweite: Die Studien weiblicher Charaktere aus dem Jahr 1858, die sogenannten Bijin-Porträts von Utagawa Kunisada (1786 – 1865) waren beliebt und begehrt. Zwei Charakterköpfe sind zu sehen: »Die Emotionale« und »Die Kontrollierte«.

Der Dritte: Ein seltenes Triptychon, ein Wunder, dass es überhaupt überliefert wurde, da es politisch anstößig war und verboten wurde aufgrund des Subtextes, den die Zeitgenossen dechiffrierten: »Der Spinnendämon Tsuchigumo beschwört im Herrschaftssitz Minamoto no Yorimitsus Dämonen herauf« von Utagawa Kuniyoshi (1798 – 1861), erschienen 1843.

Fazit: Diese Kabinettausstellung bietet exzellente historische Exponate, eine kleine Manga-Präsenzbibliothek, animierte Manga-Geister auf großen Bildschirmen und ein Gefühl für die großen Zusammenhänge.

D.M.

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im April 2018