Entwurf von Matthias Hollstein

Entwurf von Matthias Hollstein(Foto: Grassi Museum)

Zwölf Visionen

Was passiert, wenn Studentinnen und Studenten der Architektur eingeladen werden, sich Gedanken zur Erweiterung des Grassi-Museumsareals zu machen? Das Leipziger Grassi Museum für Angewandte Kunst bekommt zwölf unbefangene Masterarbeiten voller Visionen, Ideen und Vorschläge. Was macht das Museum damit in der nahen Grassi-Dekade, wo 2024 der 150. Geburtstag und 2029 der 100. Jahrestag des Gebäudes wartet? Das einzig Richtige: Ausstellen und die Debatte eröffnen! Der Lehrstuhl Baukonstruktion der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen der Technischen Universität Dortmund spürt mit diesen Abschlussarbeiten der Frage nach, wie eine denkbare Erweiterung des Museums auf dem Areal des Leipziger Johannisplatzes aussehen könnte.

Die umfangreiche Sanierung in den Jahren 2000 bis 2005 bedeutete nach Jahrzehnten von Nachkriegsprovisorien einen Quantensprung. Schon in seinem ursprünglichen Architekturentwurf von 1925 war das Museum deutlich größer geplant. Die einsetzende Weltwirtschaftskrise verhinderte allerdings die Vollendung des Museums in damals geplantem Umfang. Bereits in den frühen 1930er Jahren, aber auch in den 1990er Jahren gab es Pläne für eine Erweiterung, die jedoch keine Umsetzung fanden. Weiße Architekturmodelle und blaue Wände, Fotografien und Zeichnungen versuchen das Ungebaute, das Ungemauerte, da Unreale erstehen zu lassen. Dazu ein großes hölzernes Stadtmodell, wo Besucher selbst die zwölf Modelle am Miniatur-Johannisplatz einsetzen und wieder herausnehmen können, um einen städtebaulichen Gesamteindruck zu gewinnen. Hier werden die Besucher aktiv mit eingebunden. Man wird zum Stadtplaner. Partizipation ist das Stichwort. An der anderen Stirnseite der Ausstellung warten Papierausdrucke mit dem Grassi-Areal als Motiv und Stifte auf Ideen der Besucher. Man wird selbst zum Architekten.

Die Ideen der Zwölf sind faszinierend, jede ist einzigartig. Nun zu den Entwürfen im Einzelnen. Carsten Pesch: wuchtig, wie ein Keil. Sandra Suntrop: glockenturmartig, luftig, nach oben strebend. Zhanqing Feng: klobig und zugleich hell durch die Glaspartien. Katharina Ern: Traditionslinien aufgreifend, erinnerungsbezogen, anschmiegsam. Onur Kurul: futuristisch, wie ein UFO. Matthias Hollstein: barockverliebte Säulenrotunde. Kamil Malecki: distanziert, kubistisch, wie ein Solitär. Katharina Lauer: unaufgeregt, eingepasst und beruhigend. Fabio Mata: auf nächtliche Wirkung bedacht mit dem kontrastierenden Glasumlaufband, postmodernesehnsüchtig. Katalin Roza: an den Uni-Riesen erinnernd, verliebt in Minigitter. Thilo Rohländer: ein Leipziger Guggenheim, fließend, geschwungen, serpentinenhaft. Kevin Groß-Bölting: Königskrone mit Granit, schwermütig.

Fazit: Eine gelungene Ausstellung. Die Debatte ist eröffnet. Die betreuenden Professoren Ansgar und Benedikt Schulz dürfen stolz sein. Der Ball liegt jetzt im Feld der Politik: Die Stadt Leipzig und der Freistaat Sachsen sind jetzt gefordert. Denn welch besseres Geschenk als die feierliche Eröffnung eines Erweiterungsbaus könnte es zum großen Geburtstag 2024 geben?

D. M.

Einige weitere Vorschläge für die Erweiterung des GRASSI-Museums.

»GRASSI FUTURE. Visionen für den Leipziger Johannisplatz« bis 17. März 2019, Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig, Johannisplatz 5 –11, Di. – So. 10 – 18 Uhr

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Dezember 2018