Leipzig im Fokus

Im Bücherregal … ab und an ein Bildband

Von Michael Zock

Kleine Vorbemerkung: Bei diesem Cover irrte der Verlag. Behauptet er doch, dieses Motiv, Richtung Neues Rathaus, sei in der Lessingstraße aufgenommen worden. Es ist noch immer die Schillerstraße.

Jetzt aber zu Wichtigerem. Ich strecke den Arm in meiner persönlichen Bibliothek ganz nach links ganz oben und lande in »Klein Paris.« Greife zu und schaue danach eine Stunde in drei unterschiedlichste Bücher. 1983 erschien im VEB Brockhaus Verlag »Leipzig in Farbe«, Fotos: Renate und Roger Rössing, Text: Wolfgang U. Schütte. Ihre Kapiteleinteilung: Zeiten und Far­ben/Weite und Nähe/ Farben und Strukturen /Licht und Leben. Auch heute, nach langer Zeit, ein unerreicht spezieller Blick auf diese Stadt in wahrlich ganz anderen Zeiten. Sieben Jahre später, 1990, erschien im Schmiedicke Kunstverlag ein Postkartenbüchlein mit oft fotografierten Tourismusmotiven der Rössings. Zu einer historischen Rundfahrt um den Leipziger Promenadenring lud Andreas Martin 2011 im Lehmstädt Verlag. Diese sehr persönliche Aufzählung muss unvollständig bleiben. Jetzt entdecke ich eine neue, fast noch druckfrische Edition, den Bildband »Leipzig. Im Fokus«. Der Mitteldeutsche Verlag tat sich mit dem Wahlleipziger Fotografen und Instagramer Daniel Köhler und der Texterin und Bloggerin Anne-Kathrin Hutschenreuter zusammen. Da tauchen neben den Namen neue Begriffe auf.

Als Daniel Köhler in Schmölln das Licht der Welt erblickt, ist der Band »Leipzig in Farbe« gerade ein Jahr alt und meist vergriffen. Anne-Katrin Hutschenreuter gehört als Karl-Marx-Städterin dem »berühmten Jahrgang« 1989 an, bald wurde sie zur Chemnitzerin umgetauft, studierte später in Leipzig. Fazit: eine neue Generation entdeckt hier ihre, unsere Stadt, fokussiert sie. Die 125 Seiten, sorgen bei mir, als geübtem Leipziger, für überraschend ungewohnte Blickwinkel. Über der Stadt, über den Straßen, zu ebener Erde, in Parks. Schön und reizvoll. Ich kann mich beim Umblättern tatsächlich nicht sattsehen. Blättere zunehmend langsamer! Woran liegt das? Köhler sucht und trifft in dieser Stadt auf Idylle, auf Konflikte. Mal menschenleer, mal verschlafen, mal verträumt, mal widersprüchlich. Hutschenreuter schreibt zu Beginn einen dreiseitigen Liebesbrief an Stadt und Bewohner. »Liebes Leipzig und die, die Dich entdecken wollen …«, sehr lesbar.

Ja, es gibt inzwischen viele Regalmeter über Leipzig, dieser neue Text-Bildband ist ein gelungenes Plädoyer, schult den nachhaltigen Blick und führt jede Handy-Knipserei und ‑Blitzerei, die heute zu Hunderten auf Computern landen, ad absurdum.

Daniel Köhler. Leipzig. Im Fokus. Mitteldeutscher Verlag Halle. 128 Seiten. 16,00 EURO. ISBN 978-3-96311-220-1

Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Dezember 2019