Wahl des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig. Das Ergebnis in den Wahlbezirken im 1. WahlgangQuelle: Amt für Statistik und Wahlen der Stadt Leipzig
Geht das jetzt so weiter?
Von Cornelius Luckner
Unternehmenslenker behaupten gern, die deutsche Wirtschaft entwickle sich dermaßen erfolgreich, da spiele es gar keine Rolle, wer gerade Wirtschaftsminister sei. Böse Zungen wispern etwas Ähnliches mit Verweis auf die Stadt Leipzig und das Agieren des Oberbürgermeisters. Das ist starker Tobak.
Trotzdem drängen sich nach dem Wahlgang vom 2. Februar und vielem, was zuvor gelaufen ist, Fragen auf. Jede der vielen Talkrunden mündete zum Schluss in die Aufforderung an die Kandidaten, die Agenda ihres ersten Tages im angestrebten Amt zu beschreiben. Was Franziska Riekewald von der LINKEN klar und deutlich begründete, kam ähnlich von der Kandidatin der Grünen: Hineinhören in die Stadtverwaltung, eine neue Kultur im Umgang miteinander zu etablieren, zügige Beschäftigung mit der Verkehrswende, inclusive mit dem Vorrang für den ÖPNV und schließlich ein klares Bekenntnis zum sozialen Wohnungsbau bzw. der Forderung eines Mietendeckels. Im Vergleich damit verharrte der Oberbürgermeister, eher gefühlig seinen Sessel verteidigend, im Vagen. Er zählte Erreichtes auf, ohne Geplantes exakt zu benennen. Gelegentlich befand sich der Grundton verdächtig nahe am Merkelschen Ich-weiß-nicht-was-wir-anders-machen-sollten. Natürlich ist eine Leipziger Arbeitslosenquote von 5,9 Prozent, die sich pünktlich zum Jahresende 2019 einstellte, ein Erfolg. Aber zu viele Leipzigerinnen und Leipziger stehen immer noch im Schatten der guten Entwicklung – wegen ihrer erbärmlich niedrigen Löhne bei davoneilenden Mieten und sich verstärkender skandalöser Kinderarmut. Geht das jetzt so weiter? Sollen diese Menschen etwa weiter im Schatten stehen?
Der OBM-Wahlkampf bot eine gute Gelegenheit, neben die Programme der Kandidaten nicht nur den Wirtschaftsbericht, auch den höchst lesenswerten Sozialbericht Leipzigs mit dem zentralen Befund einer beschleunigten Einkommensspreizung zu legen. Franziska Riekewald hat es getan und eine überzeugendere Programmatik abgeleitet gegenüber dem gelackten Reklamespruch von der lebenswertesten Stadt. Ja für wen denn bitte? Ist halt nur so ein Plakattext?
Trotz alledem hat die Wahl vom 2. Februar ein solides progressives Stimmgewicht erbracht. Daraus lässt sich ein überzeugendes sozial-ökonomisch-ökologisch-demokratisches Arbeitsprogramm mit feinen linken »Duftmarken« formen, hinter dem sich die fortschrittliche Stadtgesellschaft versammeln kann, einschließlich ihrer stets mitschwingenden Forderung nach Ordnung und Sicherheit und dem Verzicht auf Gewalt als eine vorbildliche Grundtugend im Zusammenleben von über 600.000 Menschen.
Es bedarf dann einer konsequenten Umsetzung der progressiven, auf erlebbaren Fortschritt der Lebensqualität aller Leipzigerinnen und Leipziger zielenden Politik an der Verwaltungsspitze. Ohne gelegentlichen Wankelmut.
Der amtierende Oberbürgermeister lässt manchmal den Namen Otto Georgi fallen. Ein schönes Vorbild – war Georgi in der ersten Aufschwungphase der Großstadt Leipzig vor allem Gestalter und nicht bloß Verwalter. Und Georgi war 22 Jahre lang Oberbürgermeister. Eine schöne Richtzahl für jemanden, der – wenn alle persönlichen Lebensumstände mitspielen – insgesamt 21 Amtsjahre anstrebt.
Und 2027 gehört Leipzig fast so lange zur Bundesrepublik, wie diese phantastische Stadt zur DDR gehörte. Lauter gute Gründe für historische Vergleiche. Ohne festen Gestaltungswillen für die kommende Wegstrecke würden sie allerdings ganz schön in der Luft hängen.
Der Beitrag ist erschienen auf LEIPZIGS NEUE Seiten im Februar 2020