Der Mord an Walter Rathenau im Jahre 1922 veranlasste Adolf Grimme, geboren am 31. Dezember 1889 in Goslar/Harz, in die SPD einzutreten. Seine Hinwendung zum Sozialismus erfolgte, wie er betonte, aus religiösen Gründen, »unvergeßlich beeindruckt« vom religiösen Sozialisten Emil Fuchs.
Von 1908 bis 1914 hatte er an den Universitäten Halle, München und Göttingen Philosophie und Germanistik studiert. Danach im Schuldienst als Studienassessor in Leer (Ostfriesland) tätig und dem Ethos eines Friedrich Naumanns zugeneigt, war er zunächst der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) beigetreten. Doch bald erkannte er, dass die DDP, wie er schrieb, »nichts als der alte scheuklappige parteifanatische und egoistische Freisinn« war, »um über die bloße Stimmzettelentscheidung … einer ›liberalen Sozialaristokratie‹ zum Siege zu verhelfen.«
Derartige Zielsetzungen widersprachen seinen politischen und pädagogischen Auffassungen, die nunmehr an den schulpolitischen Linien des von Paul Oesterreich am 18. September 1919 gegründeten »Bund Entschiedener Schulreformer« (BES) orientiert waren. Sein Beitritt zur SPD in Hannover, wo er als Studienrat tätig war, entsprach somit seiner grundsätzlichen sittlich-sozialen Gesinnung. Nach verschiedenen schulpolitischen Ämtern folgte 1930 seine Ernennung zum Preußischen Kultusminister durch Ministerpräsident Otto Braun (SPD) und 1931 die Berufung an die Universität Halle, durchgesetzt gegen den Terror faschistischer Studentengruppen. Mit der faschistischen Machtübernahme erfolgte 1933 seine sofortige Entlassung aus dem Hochschuldienst.
Adolf Grimme entschloss sich, als Antifaschist in Deutschland zu bleiben. Durch seine engen Beziehungen zu Adam Kuckhoff, Schriftsteller und Dramaturg, kam er mit der kommunistischen Widerstandsarbeit der »Roten Kapelle« in enge Berührung. Als die faschistische Justiz deren Mitgliedern den Prozess machte, wurde auch Adolf Grimme wegen »Nichtanzeige eines Vorhabens des Hochverrats« am 3. Februar 1943 zu drei Jahren Zuchthaus und Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Nach der Befreiung vom Faschismus gehörte Adolf Grimme zu den progressiven Kräften, die für den demokratischen kulturpolitischen Neuaufbau in Westdeutschland wirkten. Von 1948 bis 1956 war er als Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks tätig.
Sein Beitrag zur demokratischen Medien-Gestaltung wird seit Jahrzehnten mit dem in Marl verliehenen »Adolf-Grimme-Preis« gewürdigt. Adolf Grimmes christliches Vermächtnis war es, den Sozialismus als »religiösen Humanismus« zu verstehen. Daher wandte er sich gegen »groben Hochmut« und »Anspruch auf Ausschließlichkeit« in der marxistischen Bewegung.
In Konfrontation mit der marxistischen Weltanschauung und dem stalinistischen Sowjetsystem trug er als religiöser Sozialist dazu bei, Christen für sozialistische Ideale zu gewinnen. Am 27. August 1963 verstarb Adolf Grimme in Degerndorf/Bayern.
Verfasst unter Beachtung eines Essays von Arnold Pfeiffer (1997).
Der Beitrag ist erschienen in LINKS! im Dezember 2019.
Weitere Kalenderblätter