»Die Menschenrechte haben kein Geschlecht.« Diese Worte, geschrieben vor 125 Jahren, stammen von Hedwig Dohm, einer der beeindruckendsten Persönlichkeiten, die in Deutschland für die Rechte der Frauen leidenschaftlich stritten.
Geboren am 20. September 1833 als viertes von 18 Kindern eines Berliner Tabakfabrikanten, wurde sie, geprägt durch die familiäre Lage und beeinflusst durch die geistigen Nachwirkungen der Revolution 1848/49, frühzeitig für politische und soziale Probleme sensibilisiert – gefördert durch ihre Ehe mit Ernst Dohm, dem Redakteur der liberalen politisch-satirischen Zeitschrift Kladderadatsch. Durch ihn lernte sie Bettina von Arnim, Theodor Fontane, Fanny Lewald, Ferdinand Lassalle und andere Persönlichkeiten der Berliner Liberalen- und Künstlerkreise kennen. Anfangs gehemmt, weil sie sich als ungebildet empfand, gewann sie bald Aufmerksamkeit für ihre politischen Auffassungen.
Publizistisch tätig, bekämpfte sie das konservative Frauenleitbild, das die Frau auf die Rolle als Gattin, Hausfrau und Mutter begrenzte. Eine Gesellschaft, die der Frau jegliche politische, ökonomische und geistige Selbständigkeit verweigerte, hielt sie für zutiefst ungerecht. 1873 forderte sie als erste in Deutschland das Stimmrecht für Frauen, um es als Mittel für die Durchsetzung deren Interessen zu nutzen. Sie trat ein für die ökonomische Unabhängigkeit und berufliche Selbstverwirklichung der Frau, für eine Änderung der traditionellen Rollenverteilung in der Familie, die dem Mann gleichermaßen Pflichten in der Kinderbetreuung und -erziehung auferlegt.
Aus ihren Schriften ragte das Buch »Der Frauen Natur und Recht« (1893) hervor, in dem sie die gesellschaftliche Unterdrückung der Frau scharf geißelte. »Solange es heißt: Der Mann will und die Frau soll«, schrieb sie voller Empörung, »leben wir nicht in einem Rechts-, sondern in einem Gewaltstaat«. Mehr noch: ,»Es gibt keine Freiheit der Männer, wenn es nicht eine Freiheit der Frauen gibt.« Sie forderte die Frauen auf, sich zu organisieren und durch Tat und Wort das Gewissen der Menschen zu erreichen und sich dabei »nicht auf die Hilfe der deutschen Männer« zu verlassen. In der »revolutionären Frauenbewegung« sah sie »die Freiwerdung des fünften Standes«.
Wahrend des Ersten Weltkrieges veröffentlichte die nunmehr über Achtzigjährige, in Abgrenzung zur bürgerlichen Frauenbewegung, Artikel gegen das Massenmorden an den Fronten sowie gegen die Einbeziehung der Frauen in die Kriegswirtschaft und anderweitige Unterstützung der Kriegsführung. Sie begrüßte aus vollem Herzen die Novemberrevolution 19 18, die ihre leidenschaftlich vertretende Forderung nach dem Frauenwahlrecht erfüllte. Tief erschütterte sie die Ermordung Rosa Luxemburgs. Am 4. Juni 1919 verstarb Hedwig Dohm in Berlin.
Der Beitrag ist erschienen in LINKS! im Juni 2019.
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