Am 10. März 1952 unterbreitete die Sowjetunion in einer Note an die Westmächte den Entwurf eines Friedensvertrages mit Deutschland, das als einheitlicher Staat wiederhergestellt werden sollte. Nationale Streitkräfte wurden zugestanden, die Neutralisierung Deutschlands war die Forderung. Das geeinte Land in den auf der Potsdamer Konferenz (Juli 1945) festgelegten Grenzen sollte »sich als unabhängiger, demokratischer, friedliebender Staat entwickeln« können. Die Streitkräfte aller Besatzungsmächte sollten »spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten des Friedensvertrages aus Deutschland abgezogen« und »sämtliche ausländischen Militärstützpunkte auf dem Territorium Deutschlands liquidiert« werden.
Bis heute gehen unter Historikern, Politologen und Politikern die Meinungen darüber weit auseinander, wie dieses Angebot der Sowjetunion zu bewerten ist. So meint z. B. Werner Eberlein, »dass die UdSSR die DDR faktisch damals schon zur Disposition gestellt hatte«. Das Motiv für ihre Haltung sei »zweifellos im Sicherheitsbestreben der UdSSR begründet« gewesen, die »um jeden Preis alle Voraussetzungen dafür schaffen (wollte), ein neutrales Deutschland zum Nachbar zu haben«.
Andere sehen das völlig anders. Sie meinen, dass Moskau durchaus nicht bereit gewesen sei, die DDR aufzugeben, sondern lediglich durch einen »diplomatischen Wirbel« die ohnehin schwierigen Verhandlungen über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) aufhalten und nach Möglichkeit zum Scheitern bringen wollte. Für diese Annahme spricht, dass die Führung der SED im März 1952 eine Kommission bildete, die Thesen zur Perspektive der DDR erarbeitete. Am 31. März 1952 trafen Pieck, Grotewohl und Ulbricht in Moskau ein, um mit der Führungsspitze der KPdSU innerdeutsche Problemstellungen zu beraten.
Die Haltung der drei Westmächte widerspiegelte am deutlichsten eine Erklärung des britischen Außenministeriums, in der es hieß: »Jeder Plan, der zu einem neutralisierten, entmilitarisierten und nichtbesetzten Deutschland führt, muss abgelehnt werden«. Und weiter wurde erklärt, dass Großbritannien »eine Wiedervereinigung – selbst wenn sie auf demokratischer Grundlage zustande kommen würde – nicht riskieren« könne. Das wollte auch Konrad Adenauer nicht. Für ihn gab es nur einen einzigen Weg: Wiedervereinigung durch Westbindung. Die BRD sollte fest in das westliche Bündnis integriert werden und die Zukunft eines späteren einheitlichen Deutschlands verkörpern.
Bleibt festzustellen: Der Notenwechsel zwischen der UdSSR und den Westmächten im Jahre 1952 führte zu keiner Annäherung beider deutscher Staaten. Im Gegenteil: Am 26. und 27. Mai 1952 erfolgte die Unterzeichnung des EVG- und des Deutschlandvertrages. Im Juni des gleichen Jahres beschloss die II. Parteikonferenz der SED den Aufbau der Grundlagen des Sozialismus in der DDR.
Der Beitrag ist erschienen in LINKS! im März 2017.
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