Geboren am 1. November 1841 als drittältestes von vier Kindern in einem Pfarrhaus in Freyenstein, gehörte Minna Cauer zu den äußersten Linken der bürgerlichen Frauenbewegung, die, wie die sozialistische Frauenzeitschrift »Die Gleichheit« zu ihrem 71. Geburtstag schrieb, »ihr wertvolle Anregungen, manche kräftige Impulse verdankte«. Sie war frühzeitig verheiratet; 1865 verstarben ihr einziges Kind an Diphterie und wenig später auch ihr Ehemann. Auf sich allein gestellt, bereitete sie sich in Privatstunden auf das Lehrerinnenexamen vor, das sie 1867 bestand. Zunächst ein Jahr lang als Deutschlehrerin in Paris tätig, unterrichtete sie Töchter aus aristokratischen Kreisen. Die im französischen Kaiserreich erlebten sozialen Gegensätze prägten sie zeit ihres Lebens.
Zurückgekehrt nach Deutschland, lehrte sie im westfälischen Hamm, wo sie mit dem Historiker Eduard Cauer, der für eine grundlegende Reform der Frauenbildung eintrat, eine neue Ehe schloss. Durch ihren Mann lernte sie Persönlichkeiten kennen, die die Ideenwelt des deutschen Liberalismus verkörperten. 1881 wurde sie erneut Witwe.
Rückbetrachtend schrieb Minna Cauer, die ohne Zweifel die profilierteste Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung für das Frauenwahlrecht war, dass sie nicht allein durch die Frauenbewegung ins öffentliche Leben hineingezogen worden ist, sondern generell durch »ein heißes Gefühl, das Recht für die Schwachen und Unterdrückten zu erringen«. Im Unterschied zu den konservativen Frauenrechtlern erkannte sie, dass das angestrebte Frauenwahlrecht nur möglich ist, wenn sich ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel vollzieht, wovon ihr 1898 erschienenes Buch »Die Frau im 19. Jahrhundert« zeugte. Bereits 1894 hatte sie in ihrem Tagebuch notiert: »Die Sozialdemokratie zieht mich mächtig an, nicht in ihrem Vorgehen, aber in ihrer Idee. Es ist Leben. Es sind Ideale. In unserem Stande ist soviel Totes und Überlebtes.« Sie versuchte, angeregt durch August Bebels Buch »Die Frau und der Sozialismus«, Brücken zu schlagen zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Frauenbewegung. Dem dienten ihre Kontakte und teilweise freundschaftlichen Beziehungen zu Bertha Suttner, Clara Zetkin u.a.m.
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges erschütterte sie zutiefst. Die Kriegsbegeisterung breiter Volkskreise und die unerwartete Kriegsbefürwortung der sozialdemokratischen Partei raubten ihr den Schlaf. Sie tat alles in ihren Kräften stehende, um auf vielfältige Weise die Antikriegsbewegung zu fördern. Die russische Oktoberrevolution begrüßte sie als Friedensbringerin und trat für Friedensverhandlungen mit Sowjetrussland ein. Die deutsche Novemberrevolution 1918, die das von ihr verfolgte Frauenstimmrecht brachte, empfand sie als folgerichtig.
Sie warnte vor restaurativen Tendenzen im politischen Leben der jungen Weimarer Republik. In ihren letzten Lebensjahren sah sie die Perspektive der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland in einer, wie sie schrieb: »Demokratie mit dem Endziel eines wissenschaftlichen Sozialismus«. Am 3. August 1922 verstarb Minna Cauer in Berlin.
Verfasst unter Berücksichtigung der Angaben von Hans Jürgen Arendt in »Demokratische Wege«, Verlag J.B. Metzler 1997.
Der Beitrag ist erschienen in LINKS im November 2016.
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