Abstimmungsergebnis in den Stadtteilen

Es reichte!

Von Cornelius Luckner

Kurz nach der denkbar knappen Wiederwahl zum Leipziger Oberbürgermeister entfuhr es Burkhard Jung: »Die SPD zeigt, dass sie noch Wahlen gewinnen kann.« Wie bitte? Die SPD? Schreiben wir die spontane Äußerung dem Adrenalin des bedrängten, letztlich aber siegreichen Stadtoberhaupts zu. Oder kann sich irgendjemand daran erinnern, während des gesamten Ringens irgendwann das Wort SPD gehört zu haben?

Lieber nehmen wir die Geste ernst, dass einer der Ersten, die Jung innig umarmte, als er Minuten nach der gewonnenen Wahl in der oberen Wandelhalle des Neuen Rathauses angekommen war, Sören Pellmann, der Spitzenpolitiker der LINKEN, gewesen ist. Nur damit zeigte der OBM, dass er verstand, wem er seinen Sieg zu verdanken hatte.

Jeder Beobachter des Aufbaus der grafischen Balken nach den eintrudelnden Auszählungen sah doch drei klare Bilder: Erstens wurde der rote Balken der Stimmenzugewinne für Burkhard Jung immer höher als der Balken für Sebastian Gemkow, den Kandidaten der CDU. Es war also nach dem ersten Anlauf einen Monat zuvor zu einer massiven Umverteilung von Stimmen gekommen. Die klare Wahlempfehlung nach dem starken dritten Platz von Franziska Riekewald, der Kandidatin der LINKEN, am 2. Februar zeigte – zusammen mit »grünen« Stimmen – die erhoffte Wirkung für das fortschrittliche Lager in Leipzig. Stimmgewichte der Plätze zwei, drei und vier nach dem 2. Februar brachten nach Umverteilung Platz eins am 1. März.

Zweitens, unterstrich die Grafik, welcher Wahlkreis welchen Spitzenkandidaten favorisiert hat, dass es – bildlich gesprochen – eine rote (oder rötliche) Säule im Süden der Stadt mit einem kräftigen Kopf derselben politischen Einfärbung im Zentrum und drumherum gibt. Um diese regelrechte Zündholzform legt sich ein schwarzes Hufeisen. Darüber mögen sich zuallererst die Strategen der SPD ihren Kopf zerbrechen, aber ein Seitenblick der LINKEN auf dieses Bild ist ebenfalls ratsam, zeigt es doch, dass die Saga von unserer schönen Stadt von denen, die zentrumsnah und im Süden wohnen, geteilt wird, weiter draußen aber weniger. Da hilft ein kurzer sanierter Straßenabschnitt oder eine frisch bepflanzte Grünanlage nur bedingt. Dort ist mehr gefragt.

Denn, drittens, Burkhard Jung gelang nur ein hauchdünner Vorsprung vor Sebastian Gemkow (und Ute Gabelmann von den Piraten möge verzeihen, dass ihr Symbolauftritt hier nicht weiter besprochen wird). Es gab in Leipzig eine Wechselstimmung. Das hatte der erste Platz des CDU-Mannes – erstmals anlässlich einer Leipziger OBM-Wahl seit 1990 – am 2. Februar gezeigt. OBM Jung muss nun mit Weitsicht seinen Amtsgeschäften nachgehen. Er hat als Unterlegener des ersten Wahlgangs seinen Befürwortern, darunter der LINKEN, weitgehende Zusagen in sozialen, Stadtentwicklungs- und Klima-Angelegenheiten gemacht. Der OBM kann souverän handeln und ein großes finales Mandat gestalten. Ein viertes Mal wird Burkhard Jung 2027 nicht antreten (wenn er denn bis dahin überhaupt durchhält). Anschließend werden die Karten vollkommen neu gemischt, denn ein großer personeller Einschnitt wird dann unumgänglich sein.

Leipzig kann und muss sich kräftig weiterentwickeln und allen, die heute persönlich nur wenig vom Aufschwung der Stadt spüren, viel mehr bieten müssen als heute. Leipzig wird aber auch von Wandlungsprozessen von außen bedrängt. Der »Winterwahlkampf« ohne rote Nasen und kalte Füße (abgesehen von symbolischen) hat das gezeigt. Es wurde einfach nicht kalt, der Klimawandel lässt grüßen. Auch darauf muss die Stadt Leipzig neue Antworten finden. Vor der Stadtgesellschaft liegen sieben entscheidende Jahre, und viel wird davon abhängen, ob OBM Jung durch kluges Handeln erkennen lässt, dass er weiß, wem er seine dritte Amtszeit letztlich zu verdanken hat.


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