Es gibt verschiedene Arten von Puppentheater. Jene, in denen bewegliche Gliederpuppen, deren einzelne Körperteile an Fäden oder Drähten hängen, von Puppenführern oberhalb der Bühne bewegt werden, heißen Marionettentheater. Sie erfreuen sich auch bei Erwachsenen besonderer Beliebtheit, weil diese Puppen äußerst groteske, ja skurrile Bewegungen ausführen können. Daher wurde das Führen von Marionetten in manchen Ländern zu großer Kunst entwickelt.
Wieso denke ich daran, wenn ich mir Merkels neues Kabinett vorstelle? Es fällt auf, dass diese personell gar nicht so ganz neue Ministerriege in den meisten Fällen zu einem »Bäumchen-Wechsel-dich-Spiel« gedrängt wurde, indem sie von ihrem ehemaligen Fachministerium auf ein solches gesetzt wurde, von dessen Spezifik sie offenbar wenig Kenntnis hat. Wieso führt z. B. eine ehemalige Familien- und Arbeitsministerin plötzlich das Militär an? Und was soll ein ehemaliger Innenminister in der Landwirtschaft? Warum muss ein Generalsekretär der CDU das Gesundheitsministerium leiten? Und wieso ist ein ehemaliger Verteidigungsminister plötzlich für das Innere verantwortlich? Kein Mensch glaubt, dass diese Platzwechsel aus Erkenntnis verborgener Begabungen der Betreffenden erfolgten. Jeder weiß, dass hinter den Ministern, in den Ausschüssen und anderswo die Lobbyisten der großen Konzerne sitzen, die die Exekutive nicht nur beraten, sondern manche Regierungsvorlagen auch selbst schreiben. Wahrscheinlich muss man davon ausgehen, dass, je weniger der betreffende Minister von seinem Fachversteht, umsostärker der Lobbyismus hinter seinem Rücken wirkt. So tanzt Frau Merkels Puppentheater für die Öffentlichkeit ein hübsches Ballett, während darüber auf der versteckten aber eigentlichen Bühne der Ereignisse, die wahren Akteure die Fäden ziehen.
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Februar 2014