In den letzten Jahren ist die Zahl der Geburten, die durch Kaiserschnitt zustande kamen, extrem gestiegen. Fragt man die betreffenden Frauen, so erfährt man: Es sei besser so, man habe nicht diese schlimmen Schmerzen und Ängste, man habe schon so viel Stress im Beruf und in der Familie, dass man keine Nerven mehr für zusätzliche Belastungen habe, man werde auch schneller wieder schlank, damit hätte man bessere Chancen im Beruf und auch in der Beziehung zum Partner ...
Ein Kaiserschnitt ist eine Operation, die eigentlich nur dann medizinisch indiziert ist, wenn Komplikationen in der Schwangerschaft zur Gefahr für das Leben des Kindes oder der Mutter werden. Ein alter Hebammenspruch besagt: »Die Sonne darf über der Kreißenden nicht zweimal untergehen – davor muss der Arzt eingreifen.« Doch offensichtlich hält sich kaum mehr jemand daran, denn in vielen Fällen wird über einen Kaiserschnitt entschieden, wenn der Geburtsvorgang noch gar nicht eingesetzt hat.
Was heißt denn »gebären«? Das Wort kommt aus dem althochdeutschen »giberen« im Sinne von »hervorbringen, sich bewegen, erzeugen, gebären«. Eine Geburt ist ein wundervolles Naturereignis, das die schwangere Frau selbständig mit eigener Kraft schafft. Das wird durch den Kaiserschnitt verhindert. Dadurch wird der Frau das bewusste Erlebnis, selbständig ein Kind zur Welt zu bringen, genommen. – Wem nützt also diese Kaiserschnitt-Inflation? Den Kliniken. Immer mehr von ihnen werden großen Krankenhausketten angeschlossen, die nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien arbeiten müssen. Die Abrechnung erfolgt über Fallpauschalen, wodurch jeder Patient zum Wirtschaftsfaktor wird. Operationen bringen mehr Einnahmen als andere medizinische Leistungen und ihre Planbarkeit sowie die Dauer der Belegung eines Bettes sind wichtige betriebswirtschaftliche Faktoren.
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Juni 2014