»25 Jahre friedliche Revolution!« – diesem Schlagwort dienen zur Zeit Journalisten, Fernsehsendungen, Podiumsdiskussionen, obwohl die meisten ihrer Akteure selbst selten dabei gewesen waren. Das Wort von der »friedlichen Revolution« prägten im Herbst '89 jene Menschen, die mit den Demonstrationen begonnen hatten. Sie wollten die Entmachtung der herrschenden alten Männer der DDR, die jeden Blick für die tatsächliche Lage der Bevölkerung verloren hatten und die positiven sozialen und kulturellen Ziele, die im Begriff des Sozialismus enthalten sind, verraten hatten. Und sie wollten eine bessere, demokratische und wirtschaftlich blühende DDR. Das wäre ein Umsturz des Staates sowie eine Umwälzung der gesellschaftlichen ökonomischen und kulturellen Verhältnisse der DDR gewesen. Dem entsprachen die Losungen auf den Demos: »Für allgemeine, freie, demokratische Wahlen!«, »Für Meinungsfreiheit und Pressefreiheit!«, »Für Reisefreiheit!«. Seltener erschien die Forderung: »VEBetriebe aus staatlicher in Volkes Hand!«. Gab es aber ein Transparent mit der Aufschrift: »VEBetriebe in Kapitalistenhand?« Nein, das wollten die Demonstranten nicht. Aber sie hatten sich auch kaum Gedanken gemacht über die ökonomische Grundlage der neuen Gesellschaft, die geschaffen werden sollte. Einige Wochen lang tauchte das Gerücht auf, die Arbeiter könnten Anteile an ihren Betrieben erwerben. Doch spätestens nach der Volkskammerwahl im März 1990 war diese Forderung gegenstandslos geworden. Denn die meisten Menschen wollten »Keine Experimente!«, wie viele Plakate vor allem etwa ab November 1989 forderten. Sie wünschten den Anschluss der DDR an die BRD – und so geschah es dann auch nach der Wahl – mit allen positiven und auch negativen Eigenschaften der BRD, die sie erst später kennenlernten.
Es war also keine Revolution im Sinne einer Erneuerung der Gesellschaft, sondern nur ein Staatsumsturz – allerdings ohne Blutvergießen auf beiden Seiten – und das ist eine Leistung.
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Oktober 2014