Wenn wir, die heute Erwachsenen, gefragt werden, was wir unter Jugend verstehen, denken wir zuerst an unsere eigene Jugend. Da war eine große Unruhe, ständige Erwartung, Träume, Wünsche – die alle über das hinaus gingen, was das aktuelle eigene Leben ausmachte. Und wir waren immer in Bewegung: laufen, Rad fahren, Verabredungen mit Freunden, erste Liebe. tanzen, feiern, schwimmen im Sommer, Skifahren im Winter, Träume von fremden Ländern und tollen Berufen. Verwandtenbesuche mit den Eltern waren langweilig, ebenso der gemeinsame Urlaub. Wir wollten selbständig in den Urlaub fahren, mit Freunden, auch wenn der Komfort da geringer war als beim Elternurlaub.
Eine Umfrage wollte im Sommer den »Durchschnittsjugendlichen« finden und stellte einer repräsentativen Auswahl Siebzehnjähriger u. a. die Frage: »Wenn Ihnen ein Urlaub geschenkt werden würde und Sie hätten die Wahl zwischen zwei Arten von Urlaub, einem Abenteuerurlaub oder einem Strandurlaub mit all-inclusive – welchen würden Sie wählen?«
Eine Mehrheit der Jugendlichen entschied sich für den Strandurlaub all-inclusive, wobei einige bekannten, dass die Wahl schwierig sei. Strandurlaub mit »all-inclusive« ist der Inbegriff der bequemen, geistig und körperlich anspruchslosen Art der Feriengestaltung. Sie wäre höchstens für Menschen angebracht, die im Berufsleben körperlich schwer arbeiten müssen oder für Kränkliche und Ältere, die sich nichts mehr selbst organisieren können. Doch wieso wünschen sich muntere junge Leute solch inaktive und anspruchslose Art der Erholung? Sind sie vom Lernen so erschöpft – geistig und körperlich? Oder haben sie schon keine Ideen und Träume mehr, die über ihr gegenwärtiges Leben hinausgehen?
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Oktober 2015