Nun mal ganz ehrlich, lieber Leser: war es nicht himmlisch? War das nicht umwerfend, glorios, geradezu weltniveaumäßig? Sie ahnen sicher schon, wovon die Rede ist: richtig, vom großen Auftritt der führenden Illusionisten, Schwarzkünstler und Taschenspieler dieses blühenden Landes Mittelerde. Same procedure as every year. Die einen wenden sich ans tumbe Volk, die anderen sich ab mit Grausen. Doch der Reihe nach.
Als Erster durfte zu Weihnachten der oberste Repräsentant der Peinlichkeit seine Heilsbotschaft vom Teleprompter ablesen, so dass schmierige Schlieren vom Bildschirm tropften. Da hat er aber auch wieder einen rausgehauen, der Fischkopp aus Rostock. Friede auf Erden kommt immer gut rüber, Flüchtlinge, die in kein gemachtes Bett fallen wollen, ebenfalls, ehrenamtliches Engagement sowieso, salbader, salbader ... und den kranken Nachbarn auch. Alles schön, alles gut, jetzt braucht es nur noch jemanden, der das humanitäre Gemenge auch umsetzt. Oder wenigstens den erklärten Willen dazu hat.
Die Hexe aus dem Kanzleramt indes, um im Märchenbild zu verbleiben, hatte dem bösen Wolf kurzerhand die Kreide geklaut und sang zu Neujahr eines ihrer gefürchteten lullabies, bis es Hänsel und Gretel vor dem Fernseher auf der Couch richtig blümerant ums Herze wurde. Uns ging's noch nie so gut (gemeint sind wir alle), keiner hat kaum keine Arbeit nicht, der Staat schafft die Voraussetzungen, die Bürgerinnen und Bürger (gleich welcher Herkunft) die Leistungsbereitschaft, geordnete Finanzen für die nächste Generation, Gemeinschaftsgefühl und Gottes Segen allerwegen. Jodeldiplom summa cum laude.
Das hätte auch ein Limburger Bischof aus seiner Luxusbadewanne heraus nicht besser formulieren können. Stellt sich nur die eine, aber durch aus spannende Frage: wer bringt bloß diese wundersamen Texte Jahr für Jahr aufs Papier? Mario Barth, Dieter Bohlen, Lukas Podolski?
Kaum sind die hehren Worte verklungen, meldet sich auch schon »der oberste Befehlshaber des bayrischen Volkssturms« (Martin Buchholz) aus dem alpenländischen Schützengraben. PG Seehofer (CSU) stärkt das Gemeinschaftsgefühl der Lederhosenkameradschaft mit kernighetzerischen Durchhalteparolen gegen den Einfall der mongolischen Horden aus Bulgarien und Rumänien. Bayern erwache! Tja, der Holger Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Einem Verbotsverfahren werden derzeit aufgrund der hohen Zahl von VLeuten keine Chancen eingeräumt. Aber wir bleiben dran. Versprochen!
Neues vom Lächler. Nachdem er bei der Erschaffung der neuen Regierung durch den Rost gefallen ist, stellt Rainer Pofalla nun übergangslos bei der Bundesbahn die Weichen für ein allerbestes Miteinander von Staat und DBGesellschaft. Wohldotiert und völlig ohne Interessenskonflikt, versteht sich von selbst. Er eifert damit erfolgreich seinen beiden Staatsministerkollegen Hildegard Müller, christlichdemokratisch, (Bundesverband Energieund Wasserwirtschaft) und Eckart von Klaeden, christlichdemokratisch, (Daimler Benz AG) nach.
War doch nicht alles warme Luft, was die Hexe über den Bildschirm schickte: der Staat schafft die Voraussetzungen. Na bitte, geht doch.
Da war doch noch... richtig, der Klausi Wowereit, Regierender Aufsichtsratsvorsitzender der politischen Einheit West und Ostberlin, der es sich natürlich nicht verkneifen konnte, den Hauptstädtern die Frohe Botschaft von Vergangenheit und Zukunft vorzuflunkern. Fazit: Mensch waren wir juut und werden auch im neuen Jahr immer besser. Gemäß dem Motto: arm aber sexy. Kleine (unvollständige) Auflistung der Hauptstadt Erfolge gefällig?
UBahnlinie 5 (Verlängerung):
Mehrkosten: 92 Millionen.
Staatsoper Unter den Linden:
Mehrkosten: 54 Millionen.
Bundesnachrichtendienst:
Mehrkosten 193 Millionen.
ChariteSanierung:
Mehrkosten: 43 Millionen.
Autobahn A100 (Verlängerung):
Mehrkosten: 55 Millionen.
Und der Flughafen vor den Toren der Stadt? Na gut, Schwamm drüber, Euer Ehren.
Da kiekste, wa?
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe -2014