Ich weigere mich zu verstehen, warum Geistliche, die qua beruflicher Stellenbeschreibung dem Wohl der ihnen anvertrauten Menschen und somit dem Frieden verpflichtet sind, Kriegsgerät segnen, das anderen Menschen Tod und Verderben beschert. Gestorben für Volk und Vaterland. Auf dem Feld der Ehre, versteht sich. Helm ab zum Gebet.
Ich weigere mich ebenso zu verstehen, wie die Repräsentanten dieses Landes einerseits den Frieden der Völker untereinander und erst recht die Freiheit (ein großes Wort, das nur allzu häufig durch loses Mundwerk vergewaltigt wird) verbal vor sich hertragen, tatkräftig dafür gesorgt haben, die deutsche Bundesrepublik zum drittgrößten Waffenlieferanten der Erde zu pushen.
Es wird sich wohl in beiden Fällen um die Gegensätzlichkeit (Dialektik) von Theorie und Praxis handeln. Was die Tatsachen als solche allerdings nicht weniger empörenswert macht. Zumal (fast) alle Parteien des Bundestags (CDU/CSU, SPD, Grüne) an diesem miesen Spiel beteiligt waren oder noch sind. Es verdient sich gut am Elend anderer.
So mag es nicht weiter verwundern, wenn die höchsten Vertreter dieses Staates in aller unschuldigen Ehrlichkeit aussprechen, worum es eigentlich geht. Horst Köhler, der Vorvorgänger des derzeitigen Amtsinhabers, hat als erster frank und frei die wirtschaftlichen Interessen zur Grundlage eines möglichen Waffengangs erklärt und lag damit voll auf der Linie der Regierung. Dennoch mußte er zurücktreten, es galt, der Öffentlichkeit die Unschuld vom Lande vorzugaukeln. Doch die Zeit des Kreidefressens ist passe, die der eindeutigen Worte en vogue. Womit wir, folgerichtig, wieder einmal beim Rostocker Pfäfflein angelangt wären.
Der nämlich erklärt der mehrheitlich gleichgeschalteten Umwelt in der letzten Zeit weniger sein diffuses Verständnis von Freiheit, sondern sagt klipp und klar, wo es langzugehen hat. Knallhart sozusagen und ohne einen Rausschmiss befürchten zu müssen. Er redet schaumig von Verantwortung, von stärkerem Einbringen in internationale Prozesse und ähnlichen Luftblasen mehr. Er redet von den deutschen Interessen, die es zu wahren gelte, notfalls mit militärischer Gewalt. Notfälle sind Definitionssache, lassen sich organisieren. Sachzwänge eben, die sich ergeben. Einfach so.
Es ist dies genau die Diktion, die dem Krieg vorauseilt, die als Rechtfertigung für zu erwartende Einsätze dient. Haben wir das im letzten Jahrhundert nicht schon alles mehrfach gehört?
Darf man dieses Gerede vom Krieg als Hetze bezeichnen, den, der es von sich gibt, somit als Kriegshetzer? Der Brandenburger Landtagsabgeordnete der Linken, Norbert Müller, hat es getan. Und er hat noch das Adjektiv »widerlich« hinzugefügt. Was insofern unnötig war, weil jedwede Form der Hetze widerlich ist und der Hetzer erst recht.
Groß das Geschrei der empörten Demokraten, allen voran natürlich die Sozialdemokraten, vor nicht allzu langer Zeit als Vaterlandsverräter tituliert und seitdem militant um ihr Ansehen als staatstragender Vollpfosten bemüht. Oppermann geh du voran. Und der tat, was immer gut ankommt: Er zog flott einen Nazivergleich aus der Tasche und erfreute den Koalitionspartner gar sehr, weil der es dann nicht tun brauchte. (Siehe Ekel Alfred: der Sozi ist nicht grundsätzlich dumm, er hat nur sehr viel Pech beim Nachdenken.)
Indes, eine Frage bleibt bislang unbeantwortet. Ist er nun ein Kriegshetzer oder ist er es nicht, der Herr aus dem Schloß Bellevue? Die einen sagen so, die anderen so. Er selbst hat auch keine klare Stellung bezogen, verzichtet auf eine Strafverfolgung. Vielleicht war das ein kluger Schachzug seiner Berater. Wer weiß, was dem Amtsinhaber in einem Strafprozess noch alles nachgewiesen werden wird. Hetzer hin oder Hetzer her, möge ein jeder es für sich entscheiden.
Aber eins ist sicher: dieser Mann ist ein Debakel für unser Land und kann zu einem Debakel für die Länder werden, die er mit seiner »Verantwortung« notfalls beglücken will. Und die Würde des Amtes wurde auch nicht beschädigt, denn wo nichts ist, kann auch nichts beschädigt werden.
Na dann ist ja wieder alles klar auf der Andrea Doria …
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Juli 2014