Zugedröhnt

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Drogenkonsum eine gefährlich anhaltende Wirkung mit irritierendem Durcheinander in den Köpfen der Konsumenten hinterlässt, dann sei auf die Akteure des politischen Geschehens dieser Republik verwiesen. Den Älteren zur Mahnung, den Jüngeren zur Warnung. Gut, bei vielen Politikern, gerade in verantwortlichen Positionen, haben wir schon seit geraumer Zeit die Einnahme berauschender Mittelchen aus dem Chemiebaukasten vermutet. Es sei nur an den starren Blick der Schwarzen Frau während ihrer Neujahrsansprache erinnert, in der veritabler Blödsprech aus ihr heraussprudelte (ich schrieb darüber). Vom vorsitzenden Feldprediger einmal ganz zu schweigen.

Nun registrieren wir eine zunehmende Anzahl von Mandatsträgern, die ihre Neigung zum benebelnden Stöffchen öffentlich machen. Ob aus Zufall oder aus Dummheit, sei einmal dahingestellt. So zum Beispiel der Vorsitzende der olivgrünen Partei, Cem Özdemir. Anlässlich der Ice-Bucket-Challenge (es gibt nichts Gutes, außer man tut es) hat er sich werbewirksam auf eigenem Balkon in bewegenden Bildern ablichten lassen, und sich dabei einen Kübel Eiswasser über Bregen und Rumpf gekippt. Nass aber glücklich lachte der lustige Cem in die Objektive. Neben ihm aber streckte, für alle Welt sichtbar, ein Cannabispflänzlein die zartgrünen Blätterchen in den hauptstädtischen Himmel. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft. Dabei wollte der tapfere Özdemir mit dem verbotenen Grünzeug lediglich gegen die verfehlte Drogenpolitik der Bundesregierung demonstrieren. Jau. Morgens einen Joint, und der Tag ist dein Freund. Lass krachen, Cemiboy, die umherschweifenden Haschrebellen sind mit dir.

Oder denken wir an Michael Hartmann. Hochkarätiger sozialdemokratischer Bundestagsabgeordneter, Fachpolitiker für innere Sicherheit, zeitweise Obmann seiner Fraktion im Innenausschuss und Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Während des letzten Bundestagswahlkampfs sprach er sich leidenschaftlich gegen die Legalisierung sogenannter weicher Drogen aus. Und – was allzu selten bei seiner Spezies vorkommt – hielt er sich konsequent an seine Aussage. Der wackere Ranzengardist der Mainzer Fastnacht übersprang den soften Schnullikram und wandte sich gleich den härteren Dingen des rauschhaften Lebens zu. Crystal Meth in »eigenverbrauchsüblichen Mengen« habe er konsumiert, gab er zu. Das Dummerchen hatte gehofft, da-durch leistungsfähiger zu werden. Narrhalla Marsch, aber dalli. Nun stellt sich die Frage, was eine »eigenverbrauchsübliche Menge« ist. Nur nicht für die Berliner Staatsanwaltschaft, die das Verfahren gegen eine Geldbuße einstellte. So weit, so üblich in diesem unseren Lande. Wäre da nicht noch die Sache mit dem Bildchen sammelnden ehemaligen Abgeordneten Sebastian Edathy, gleichfalls SPD. Der nämlich behauptet kühn, der Hartmann Michel hätte ihm, Edathy, von den Ermittlungen gegen ihn berichtet und er, Hartmann, habe das wiederum vom damaligen Chef des BKA, Ziercke, gesteckt bekommen. Natürlich leugnen die beiden, was das Zeug hält, klaro. Doch mehren sich Aussagen im Untersuchungsausschuss, die die Version des vermeintlichen Pornokonsumenten zu bestätigen scheinen. Es stellen sich die Fragen, ob die Informationsweitergabe unter Einfluss einer eigenverbrauchsüblichen Menge Crystal Meth zustande gekommen ist und was hatte Ziercke eingeschmissen? An der übrigen SPD Spitze ist die ganze Angelegenheit sowieso vorbeigerauscht. Niemand weiß nix.

Überhaupt: Seitdem die FDP in ihrem eigenen Sumpf versunken ist, flüchtet sich die politische Hauptstadt immer häufiger in die Illusion der marktüblichen Designerdrogen. So war das nun auch nicht gemeint.

Eine Nachricht fern jeglichen Rausches erschüttert die Öffentlichkeit. Der Autor des Bestsellers »Neukölln ist überall« und langjährige Bürgermeister dieses Berliner Stadtteils, der rechtsgedrehte Sozialdemokrat Heinz Buschkowsy, tritt zurück. »Von nüscht kommt nüscht«, »Jeder ist seines Glückes Schmied« und »Multi-Kulti ist gescheitert«, sind nur einige Kernsätze seiner Amtszeit. Mit Buschkowsky verliert der Stammtisch einen seiner populärsten Vertreter und die CDU ihren besten Mann im Bezirksparlament. Da kann man nichts machen, so ist das nun mal in der Hauptstadt der politisierenden Junkies. Alles so schön bunt hier.

Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Februar 2015