Fleiß, Verlässlichkeit, Anstand, Würde ist in aller deutschsprachigen Politikermunde, wenn es um die Selbstdarstellung geht. Recht so. Wir sind wieder wer. Das hat der Fraktionsvorsitzende der Union und Interessensvertreter der Waffenschmiede Heckler & Koch, Volker Kauder, schon 2011 auf dem Parteitag seiner allerchristlichen Partei glasklar erkannt. »Jetzt wird in Europa wieder Deutsch gesprochen.« So sieht's nämlich aus, auch wenn das der digitale EU-Kommissar Günther Oettinger noch nicht so recht verinnerlicht hat. Allerdings würde den sowieso keiner verstehen, selbst wenn er Deutsch spräche. Egal, in einem sind sich unsere Spitzenpolitiker der Regierungskoalition einig: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Zunächst jedenfalls Europa, der Rest dann später zu gegebener Zeit. In aller Freundschaft, versteht sich.
Und unter Freunden kann man, rauh aber herzlich, schon mal den Schlendrian der anderen abmahnen: Die sollen doch erstmal ihre Hausaufgaben machen, pöbelt der knorrige Kollege aus dem Finanzministerium. (Von dem der Kabarettist Georg Schramm annimmt, er wäre im Mittelalter als Hexe verbrannt worden.) Gemeint sind die griechischen Raffkes, denen wir ihre Luxus-Renten zahlen. Wenn es euch angeblich so schlecht geht: Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen ... und die Akropolis gleich mit. Und damit das ein für alle Mal feststeht: NEIN! Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen! Worauf sich natürlich sofort die Frage anschließen muss: Der RUSSE oder der GRIECHE – Wer ist gefährlicher für uns?
Das ist in der Tat die Frage.
Zum besseren Verständnis sei angefügt: Die kursiv gesetzten Wörter sind allesamt den Titelseiten des Zentralorgans für Schund, Dreck und Gossenjournalismus aus dem Hause Springer entnommen. In Stürmermanier goebbelt sich das Blatt seit Monaten von einer Kampagne zur nächsten. Béla Anda, Politik-Chef von BILD, schreckt auch vor persönlicher Verunglimpfung nicht zurück: Wie lederbejackte Rüpel-Rocker röhren Griechenlands Neo-Premier und sein Posterboy-Finanzminister seit ihrem mit platten Parolen erzielten Wahlsieg durch Brüssel. Ihr Gesetz ist die Straße. Hier sind sie (politisch) groß geworden. Hier ist ihre Hood. Deren Unterstützung wollen die Kawa-Naked-Biker (zumindest Varoufakis hat eine) nicht verlieren.
Die Acht-Groschen-Schreiberlinge sind außer Rand und Band. Sie hetzen ein Volk, das deutsche, gegen ein anderes Volk, das griechische, auf und erfüllen damit den Straftatbestand der Volksverhetzung nach § 130 StGB.
»Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, (...) die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.«
Soweit der Gesetzestext. Da drängt sich mir doch sofort der Eindruck auf, es würde der deutschen Politkultur ausgesprochen gut tun, wenn BILD-Chefredakteur Kai Diekmann für einige Jahre hinter Gittern die Gefängniszeitung redigieren dürfte. Aber das wird wohl ein Wunschtraum bleiben.
Zurück zu Griechenland, da war doch noch was. Nämlich die Erinnerung an die Zwangsanleihe in Höhe von 476 Millionen Reichsmark, die das Naziregime der Griechischen Nationalbank 1942 abgepresst hat. Korrekt, wie der deutsche Besatzer auch damals schon war (siehe Fleiß, Verlässlichkeit, Anstand und Würde), wurde ein Vertrag darüber aufgesetzt, der sogar die Rückzahlung der Zwangsanleihe nach Kriegsende regelte. Die deutsche Bundesrepublik, nach eigenem Bekunden der Rechtsnachfolger des Nazistaats, weigert sich indes vehement, diesem Vertrag nachzukommen. Die heutige Höhe der griechischen Forderung wird unterschiedlich bewertet, dürfte sich aber realistisch zwischen 11 und 40 Milliarden Euro bewegen. Mit diesem Geld könnten die griechischen Raffkes ihre Inseln behalten und weiterhin in Saus und Braus ihr Luxusleben führen. Und die Deutschen könnten Gyros und Souvlaki ohne Gewissensbisse und Schuldgefühle mit einem Ouzo hinunter spülen.
Kalimera!
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe März 2015