Oh heilige Einfalt« soll Jan Hus vom Scheiterhaufen herunter ausgerufen haben als er eine Frau sah, die einen Korb mit Holzscheiten anschleppte. »Oh heilige Einfalt« mag einem in den Sinn kommen, wenn der nette ältere Herr, der ein klein wenig an die Muppet-Show erinnert, im Fernsehen erscheint. Zusammen mit den Herren Maas, Maaßen und de Maizière spielt er die scheinbare Hauptrolle in dem Schmierenstück, das derzeit auf der klebrigen Politbühne gegeben wird. Er mimt den Prügelknaben sozusagen, obwohl er in seinem Amt als Generalbundesanwalt dieser Republik der hohen Obrigkeit stets Untertan und eifrig zu Diensten war. Immerhin musste er keinen Grund sehen, Ermittlungen zu einem »mutmaßlichen« Spionageangriff der NSA auf Kanzlerin & Co. einzuleiten (abhören unter Freunden geht gar nicht). Und dann fällt er auf einen miesen Trick dieses Fieslings Maaßen herein, der ihn mit verschiedenen Anzeigen wegen Landesverrats um einen beschaulichen Abschluss seiner Karriere brachte. Ja, der allergrößte Schmutz ist der Verfassungsschutz und am dreckigsten sein Präsident, mag es dem wackeren Herrn Range durchs Juristenhirn geschossen sein. Genau dieser Hans-Georg Maaßen nämlich war es, der als Referatsleiter unter dem damaligen Innenminister Schily (SPD), dem nach Guantánamo entführten Murat Kurnaz die Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland mit dem Argument verweigern wollte, er sei mehr als sechs Monate außer Landes gewesen und habe sich auch nicht bei den zuständigen Behörden gemeldet. Genau dieser Scharfmacher Maaßen, der Edward Snowden als Verräter brandmarkte. Mit einer solch markigen Einstellung ist eine politische Karriere in diesem Land geradezu unumgänglich.
Und dann dieses saarländische Jüngelchen, der Sozialdemokrat Heiko Maas, in seiner Funktion als Justizminister, der den fügsamen Harald aufs Altenteil schickte wie »einen geprügelten Hund«. Was will denn dieser Wendehals von ihm? Hatte der nicht Stein und Bein geschworen, mit ihm gäbe es keine Vorratsdatenspeicherung, nie und nimmer? Und wer hat sie dann mit aller Macht durchgesetzt? Eben! Der soll doch mal ganz still sein.
Wer von all diesen illusteren Akteuren, bitteschön, hat denn nun Land und Leute verraten? Gäbe es in dieser Republik tatsächlich eine unabhängige Justiz, mag mancher Zeitgenosse seinen Tagträumereien nachhängen, dann würde eine stattliche Anzahl von Politverbrechern, hinein bis in die höchsten Ämter, vor ihre Schranken zitiert. Aber so …
Auf jeden Fall gibt´s großes Geschrei und allseitiges Lamentieren in allen mehr oder weniger seriösen Medien. Die einen sagen so, die anderen so. Aber allen ist eines gemein: durch die kollektive Aufregung um Pressefreiheit, Landesverrat und wer hat mit wem gemauschelt, lenken sie vortrefflich von dem einen Thema ab, das wichtiger und vordringlicher ist als die Kasperlebühne im Regierungszirkus: wie gehen die Deutschen mit den Menschen um, die in diesem ihren Land Schutz suchen vor Krieg, Verelendung, Tod und Würdelosigkeit?
Da sind zunächst einmal die staatlichen Stellen, die, je christlicher sie dominiert sind, umso unmenschlicher und kaltschnäuziger mit der Not der Flüchtlinge umgehen. Und da ist das gemeine Volk (das wird man ja noch mal sagen dürfen), der Stammtisch (vom deutschen Tresen soll die Welt genesen), sowie die in Naziparteien und »patriotischen« Bewegungen organisierten Anhängsel, kurz, das ganze dumpfe rechte Pack, das Tag um Tag in Wort und Tat vor den erbärmlichen Behausungen und Zeltlagern der aus ihrer Heimat Vertriebenen, unter den Augen der Staatsmacht, übelste Hetze und Randale inszenieren.
Hermann L. Gremliza hat in einer Kolumne sinngemäß gesagt: es leben nicht einige Nazis unter uns, sondern wir leben unter Nazis. Das mag manchem übertrieben formuliert sein und es soll auch nicht verschwiegen werden, dass es glücklicherweise eine keineswegs geringe Anzahl von Deutschen jedweder Couleur gibt, die sich dem faschistischen Pöbel entgegenstellen. Dennoch, mich hat Gremlizas Satz nachdenklicher gemacht als ich es zuvor war. Zumal mit einer Bewältigung der Angelegenheit seitens der Regierung nicht zu rechnen ist. Die beschäftigt sich mit anderen Dingen (s.o.) Also bleibt mir nichts anderes übrig, als auf ein Zitat Albert Einsteins zu verweisen: »Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.«
Macht's gut, Nachbarn!
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe August 2015