Ich weiß nicht, wer im WM-Endspiel steht. Ich weiß heute, da ich diese Zeilen niederschreibe, noch nicht einmal, ob die Mannschaft mit den bis zum Überdruss gezeigten drei Farben überhaupt noch dabei sein wird. Angela Merkel weiß es natürlich wieder einmal. Sie sagt es uns nur noch nicht. Vielleicht hat es ihr Sebastian Schweinsteiger nach dem 4:0 gegen Portugal ins Ohr geflüstert, als sie zur Gruppenaufnahme mit den noch aufgeheizten Nationalspielern zur dritten Halbzeit in der Umkleidekabine war. Auch mit einer kurzen Rede hat sie die Jungs erfrischt. Joachim Löw gibt ihre Worte wieder: »Sie hat gesagt, es ist schön, wenn sie schon so eine lange Reise machen musste, dass wir dann wenigstens auch gewonnen haben.«
48 Stunden hat sie von ihrer kostbaren Kanzleramtszeit abgeknapst für einen schnellen Sprung in die Umkleidekabine ihrer Mannschaft, hat keine Kosten gescheut, wenn auch nicht ihre eigenen. (Eine Flugstunde mit dem Airbus 340 kostet 12.000 Euro.)
Und eben bei diesem Kabinentreffen muss Angela Merkel aufgeschnappt haben, wer Weltmeister wird. Aber sie sagt es uns nicht. Bei hrem Internetauftritt (»Die Kanzlerin direkt«) stellt ihr der Interviewer die überraschende Frage:»Wer wird Fußballlweltmeister?« Ihre verschmitztzurückhaltende Antwort: »Das kann ich jetzt noch nicht sagen«. Ausdrücklich: noch nicht. Hoffentlich sagt sie es uns wenigstens eine Woche vor dem Endspiel, damit wir uns rechtzeitig einrichten können mit schwarzrotgoldenen Accessoires, wenn diese Farben dann überhaupt noch gezeigt werden, oder dann eben mit schwarzen Trauerbändern. Und auch Gauck muss sich einrichten. Als die spanische Elf, immerhin amtierender Weltmeister, überraschend aussortiert wurde, ist am gleichen Tag der spanische König zurückgetreten. Was macht unser Ersatzkönig für diesen Fall?
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Juli 2014