Wenn ein Dreijähriger die Oma besucht, was sagt er zur Begrüßung? Natürlich »Hallo«. Er spricht nach, was er immer von den Erwachsenen hört. Er wächst in unser Hallo-Zeitalter hinein. Im Treppenhaus sagt es der Wohnungsnachbar, die Kindergärtnerin nicht anders, auch die Bäckersfrau. Es ist unvermeidlich, wenn der Arzt ans Krankenbett tritt. Der Gastwirt schiebt mit diesem Wort das Bier über den Tresen. Die Sportfreunde im Umkleideraum kennen kein anderes Ankunftssignal. Niemand erwartet etwas anderes.
So war ich neulich bei einer Wanderung in den Alpen regelrecht verdutzt, als ein entgegenkommender Wanderer mir im einheimischen Tonfall zurief »Grüß Gott!«. Mit der Aufforderung konnte ich im ersten Moment nichts anfangen und habe nur gestottert »Ja, danke«. Aber bald hatte ich mich daran gewöhnt, als ich merkte, dass sich meine mitteldeutschen Landsleute in den Bergen auch gern in breitem sächsisch mit dieser Aufforderung melden. So schnell kann es gehen mit der Umstellung. Aber zurück aus der Höhenluft an die Pleiße war es wieder immer und überall da, das maulfaule und flache »Halloo«. Gern auch modisch weltläufig: »Hällou«.
Ich erinnere mich: Wenn wir uns früher beim Pilzesammeln aus den Augen verloren hatten, riefen wir laut mehrmals »Hallo«. Da hatte der Ruf noch einen suchenden Sinn. Da wäre »Grüß Gott« sachlich und akustisch unpassend gewesen, selbst in den Bergen. Heute sagen wir immer »Hallo«, obwohl wir niemand suchen, er steht ja vor uns. Wir werden den Verlegenheitsgruß wohl nicht mehr los. Na, dann: Hallo, Grüß Gott!
Der Beitrag ist erschienen in LEIPZIGS NEUE, Ausgabe Oktober 2014